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Strompreise bringen Versorger unter Druck

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Wien Energie bittet Bund um Hilfe und braucht 6 Milliarden Euro. Was das nun für Kunden und Steuerzahler bedeutet.


Das kam für viele dann doch überraschend. Die Wien Energie - über die Wiener Stadtwerke eine 100-prozentige Tochter der Stadt Wien - bat zum Krisengipfel am Sonntagabend ins Bundeskanzleramt. Der Grund: Das Unternehmen hat wegen der steigenden Preise Schwierigkeiten, die notwendigen Garantien für Strom- und Gaskäufe an der europäischen Börse selbst zu stemmen.

Am Treffen haben Verbund-Chef Michael Strugl, E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch und Wien-Energie-Chef Michael Strebl teilgenommen; sowie Finanzminister Magnus Brunner, Bundeskanzler Karl Nehammer, Wirtschaftsminister Martin Kocher (alle ÖVP) sowie Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und die beiden Klubobleute August Wöginger (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne). Die Wien Energie muss noch diese Woche, um weiterhin Strom und Gas einkaufen zu können, Sicherheiten in Milliardenhöhe vorlegen. Das Finanzministerium (BMF) spricht von einem Finanzierungsbedarf von 6 Milliarden Euro. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Ist die Wien Energie zahlungsunfähig?

Nein. Seitens des Unternehmens betonte man am Montag gegenüber Medien: "Wien Energie und die Wiener Stadtwerke sind solide, wirtschaftlich gesunde Unternehmen mit bester Bonität. Es müssen keine Verluste ausgeglichen werden." Allerdings braucht das Unternehmen kurzfristig 1,75 Milliarden Euro an Garantien für Energiekäufe an den europäischen Börsen. Offenbar hat die Stadt Wien bereits in den vergangenen Wochen Garantien zugesichert, stoße jetzt aber finanziell an ihre Grenzen, wie aus einem Brief von Finanzstadtrat Peter Hanke an den Bund hervorgeht. Das wiederum wirft die Frage auf, seit wann die Stadt vom Liquiditätsproblem der Wien Energie Bescheid wusste. Dem Vernehmen nach sollen seit Juli 1,4 Milliarden Euro geflossen sein.

Wofür braucht die Wien Energie die Haftungen?

Energieunternehmen müssen beim Einkauf von Strom und Gas an den internationalen Börsen Sicherheiten hinterlegen. Normalerweise werden diese über die eigene Liquidität abgedeckt. Weil die Energiepreise aber derzeit so stark steigen, wird das nun für die Wien Energie, die selbst große Mengen an Strom und Gas einkaufen muss, zum Problem. Der Gaspreis ist derzeit 15 Mal höher als der langjährige Durchschnitt. Allein am Freitag ist der Strompreis im Großhandel für 2023 von 700 auf 1.000 Euro pro Megawattstunde gestiegen. "Analog dazu haben sich die erforderlichen Kautionen für bereits getätigte Geschäfte in der Zukunft vervielfacht", so das Unternehmen.

Wie konnte es so weit kommen?

Die Wien Energie ist mit über zwei Millionen Kundinnen und Kunden einer der gewichtigsten Energieversorger des Landes. Weil das Unternehmen aber selbst weniger Energie produziert, als es verkauft, und in seinem Portfolio einen hohen Gasanteil hat, muss es große Mengen an Strom und Gas an der Börse zukaufen. Anders als der teilstaatliche Verbund, der selbst relativ günstig Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wasser produziert und diesen jetzt aufgrund der Merit Order teurer verkauft.

Im europäischen Energiehandel wird neben dem kurzfristigen Handel der Großteil der Energie am Terminmarkt zum Beispiel für ein oder zwei Jahre im Voraus eingekauft. Die Wien Energie kauft und verkauft also Strom und Gas im Voraus.

Je höher die Preise für diese Einkäufe sind, desto höher muss auch die hinterlegte Besicherung ausfallen. Wien Energie beteuert, dass es sich dabei nicht um Verbindlichkeiten im klassischen Sinn handelt, sondern um eine Art Kaution, die sofort nach Kaufabwicklung zurückgezahlt werde. Weil die Preise im Großhandel derzeit deutlich schneller steigen als sie an die Kunden weitergegeben werden können - etwa wegen bestehender Verträge -, sinkt die Liquidität einiger Energieversorger. Zumindest bei jenen, die mehr Strom und Gas zukaufen müssen, als sie selbst produzieren können.

Was machen nun Bund und Stadt Wien?

Laut BMF beläuft sich der Finanzierungsbedarf des Unternehmens auf 6 Milliarden Euro. Die Wien Energie könne mithilfe von Garantien der Stadt Wien die jetzt akut benötigten 1,75 Milliarden Euro zwar selbst aufbringen, damit sei der finanzielle Spielraum aber erschöpft.

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Darüber hinaus müsste der Staat das Haftungsrisiko übernehmen. Der Bund könnte zum Beispiel über die Bundesfinanzierungsagentur einen Kredit gewähren. Die Details dazu sind aber noch Gegenstand von Verhandlungen. Energieministerin Gewessler hat jedenfalls am Montag der Wien Energie Hilfen zugesichert, um die Versorgungssicherheit der Kunden zu gewährleisten.

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Der Eigentümervertreter der Wien Energie, Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ), beteuerte, dass die Wien Energie nicht pleite sei. Man habe sich an den Bund mit der Bitte um einen "Schutzschirm für Energieversorger" gewandt. Er vermutet, dass auch andere Energielieferanten mit einem hohen Gas-Exposure in Schwierigkeiten geraten werden, angesichts der stark steigenden Preise. Vonseiten der EVN hieß es aber auf Nachfrage: "Die EVN verfügt über eine solide bilanzielle Basis und ausreichend liquide Mittel, um den aktuellen Herausforderungen an den Märkten begegnen zu können." Und auch andere Landesversorger seien derzeit ausreichend liquide.

Was passiert, wenn Haftungen ausbleiben?

Dass die Wien Energie die benötigten Sicherheiten nicht aus dem eigenen Cashflow stemmen kann, bedeutet zwar noch nicht, dass sie pleite ist. Wenn die nun sprunghaft angestiegene Haftungssumme für zukünftige Energielieferungen aber nicht vorgelegt wird, kann das dazu führen, dass die Wien Energie vom Börsenhandel ausgeschlossen wird. Dann müsste das Unternehmen schon abgeschlossene Geschäfte rückabwickeln, was wiederum dazu führen kann, dass die Wien Energie ihre Kundinnen und Kunden nicht mehr mit Strom und Gas beliefern kann.

Welche Vorkehrungen sollen nun getroffen werden?

Hanke fordert mit Blick auf weiteren Verwerfungen einen Energieschutzschirm in der Höhe von etwa 10 Milliarden Euro für alle Energieversorger, wobei die Wien Energie, die besonders viel Energie an der Börse zukaufen muss, hier stärker exponiert ist. "Ziel aller politischen und regulatorischen Bemühungen muss es sein, jetzt die richtigen Vorsorgemaßnahmen zu setzen", appelliert auch Michael Strugl, Verbund-Chef und Präsident von Oesterreichs Energie.

Gefordert wird ein staatliches Finanzierungsinstrument nach deutschem Vorbild. Im Juni hat der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das sogenannte Margining-Finanzierungsinstrument vorgestellt. Das ist ein Absicherungsinstrument für Energieunternehmen, die an Terminbörsen mit Strom, Erdgas und Emissionszertifikaten handeln und wegen der steigenden Preise nun auch höhre Sicherheiten hinterlegen müssen. Dabei haftet der Staat quasi über eine mit Bundesgarantien unterlegte Kreditlinie der staatlichen deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für die Liquidität der betroffenen Energiefirmen. Nach einem ähnlichen Modell soll nun auch in Österreich die Liquidität der Energieversorger sichergestellt werden, fordert Strugl.

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