Zum Hauptinhalt springen

Bauern wollen Borealis nicht ziehen lassen

Von Marijana Miljković

Wirtschaft

Bauernbund bekämpft Verkauf der Düngemittelsparte nach Tschechien juristisch. Appelle an Öbag verhallen.


Seit ruchbar wurde, dass die OMV-Tochter Borealis für ihre lukrative Düngemittelsparte einen Käufer gefunden hat, schrillen bei den Vertretern österreichischer Bauern die Alarmglocken. Für sie steht durch den geplanten Verkauf an den tschechischen Chemiekonzern Agrofert die Versorgungssicherheit von Agrarprodukten und Lebensmitteln auf dem Spiel. "Alle reden von Versorgungssicherheit, und dann verkauft ein teilstaatliches Unternehmen ohne jede Not einen hochprofitablen Zweig, der die Versorgungssicherheit ganz Österreichs betrifft", sagte Stephan Pernkopf, Obmann des Bauernbundes und Landeshauptfrau-Stellvertreter in Niederösterreich, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. "Wir wollen nicht tatenlos zusehen, wenn kritische Infrastruktur ausverkauft wird", zeigte sich der ÖVP-Politiker kämpferisch.

Tatsächlich wurde der Bauernbund schon tätig. Bereits im Sommer engagierten die Standesvertreter eine Berliner Kanzlei, die den Deal zwischen Borealis und Agrofert vor der Europäischen Kartellbehörde bekämpfen soll. Der Zusammenschluss würde laut Pernkopf eine Marktkonzentration von 70 bis 80 Prozent ergeben, wodurch Agrofert eine marktbeherrschende Position hätte.

"Verkauf unzulässig"

Hinzu komme, dass die zweit-, dritt-und viertgrößten Produzenten von Düngemitteln - EuroChem, Ostchem und Uralchem - entweder in der Ukraine oder in Russland tätig seien und aufgrund des Kriegs nicht lieferten, zumal auch Produkte anderer Produzenten wegen der hohen Transportkosten nicht verfügbar seien. "Wir lehnen gerade aus diesen aktuellen Umständen jede weitere Konzentration wichtiger Marktteilnehmer ab", sagte Pernkopf.

In Österreich soll ein Gutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer ein Umdenken bei der Staatsholding ÖBAG, die die Anteile der Republik an Unternehmen verwaltet, bewirken. Demnach ist der Verkauf unzulässig. Mayer verweist in seinem Gutachten auf das ÖIAG-Gesetz, an das die Mitglieder des Aufsichtsrats der Borealis-Mutter OMV gebunden seien. Sie müssten in diesem Fall öffentlichen Interessen den Vorzug geben vor dem Einzelinteresse des Unternehmens, so Mayer. Der Staat, bzw. die ÖBAG, ist mit 31,5 Prozent Kernaktionär des Energiekonzerns.

Die ÖBAG sieht die Interessen Österreichs in dem Deal aber gewahrt: "Aus Sicht der ÖBAG hat Agrofert als europäisches Unternehmen öffentlich und unmissverständlich eine Standortgarantie für Linz abgegeben und sich dazu bekannt, weiter in die Zukunft des Werks zu investieren und somit auch die Arbeitsplätze zu erhalten. Dabei wurde auch die Verantwortung für die Versorgungssicherheit hervorgehoben", heißt es in einem Medien-Statement.

Pernkopf will dem aber nicht ganz Glauben schenken und nennt das Düngemittelwerk SKW in Piesteritz in Sachsen-Anhalt, ebenfalls im Eigentum von Agrofert, als warnendes Beispiel. Dort habe der tschechische Eigentümer wegen der in Deutschland geplanten Gasumlage das Werk stillgelegt, "weil man politisch Druck machen will", so Pernkopf. Da nütze auch keine Standortgarantie, man mache sich durch einen ausländischen Eigentümer abhängig und erpressbar, so Pernkopf.

Verkauf mit Anlauf

Schützenhilfe im Kampf um die Borealis erhält der Bauernbund nicht nur von der Landwirtschaftskammer, sondern auch von Ex-Notenbankpräsident Claus Raidl. Gefragt, ob er als theoretischer Borealis-Chef die Sparte verkaufen würde, sagte der ehemalige Chef des Stahlkonzerns Böhler-Uddeholm: "Unter Abwägung der Argumente und der Ertragskraft (der Borealis, Anm.), hätte ich den Verkauf nicht vorgeschlagen", so Raidl. Die Globalisierung, beziehungsweise die internationale Arbeitsteilung funktioniere zurzeit nicht, argumentierte Raidl. "Das ist der Punkt, wo das öffentliche Interesse hereinspielt und Düngemittel ein strategisches Gut sein kann", so der Ex-Manager.

Die OMV-Tochter Borealis hätte ihre Düngemittelsparte, die sie nicht zu ihren Kernbereichen zählt, schon Anfang des Jahres an den russisch-schweizerischen Konzern EuroChem verkauft, machte aufgrund der Sanktionen gegen Russland jedoch einen Rückzieher. Damals war das Unternehmen mit 455 Millionen Euro bewertet worden. Das Angebot von Agrofert des Milliardärs und tschechischen Ex-Premiers Andrej Babis war mit 810 Millionen Euro fast doppelt so hoch.

Die Verträge seien gezeichnet und bei den Behörden, sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene, eingereicht, sagte eine Sprecherin. Man rechne bis Ende des zweiten Halbjahres mit einem Closing des Deals. Borealis wolle sich künftig weiter auf seine Kernaktivitäten konzentrieren: die Bereitstellung innovativer Lösungen in den Bereichen recycelbarer Kunststoffrohstoffe und Grundstoffe für die chemische Industrie. Im ersten Halbjahr 2022 verdoppelte die Borealis ihren Gewinn auf 1,82 Milliarden Euro, unter anderem auch aufgrund des Übernahmeangebots von Agrofert.