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Auf dem Weg in die Stagflation

Von Karl Leban

Wirtschaft
Der heimischen Industrie setzen die extrem hohen Energiepreise besonders zu.
© Schwarzmüller Gruppe

Die Ökonomen von Wifo und IHS erwarten einen Konjunkturabschwung. Die Inflation bleibt hoch.


Nach dem tiefen Absturz infolge der Corona-Pandemie wird die heimische Wirtschaft auf ihre kräftige Erholung im Vorjahr vor allem dank Nachholeffekten im Tourismus und beim Privatkonsum heuer noch eins draufsetzen. Das war’s dann aber. Die Abschwungsphase hat jetzt im zweiten Halbjahr bereits eingesetzt. Für 2023 sehen die Konjunkturforscher der beiden Institute Wifo und IHS das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nur noch gegen null tendieren – bei gleichzeitig hoher Inflation. Das Land driftet somit in eine Stagflation, wie das im Fachjargon heißt.

Gehen Wifo und IHS für 2022 konkret von einem BIP-Plus von 4,8 und 4,7 Prozent aus, rechnen sie für das kommende Jahr mit einem nur noch mit der Lupe wahrnehmbaren Wachstum von 0,2 und 0,3 Prozent. Grund für die deftige Konjunkturabkühlung ist nicht nur eine schwächere Weltwirtschaft, sondern vor allem die aufgrund des Ukraine-Krieges sprunghaft gestiegenen Energiepreise. Diese schwächen die globale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, schränken damit deren Exporte ein und werden die Branche in Verbindung mit den ebenfalls hohen Kosten bei Rohstoffen und den noch immer bestehenden Lieferkettenproblemen nach Einschätzung von Wifo und IHS in eine Rezession stürzen.

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Darüber hinaus sorgt die massive Inflation generell für Unsicherheit, was den bisher robusten Konsum der privaten Haushalte weit weniger stark als heuer wachsen lassen sollte. "Die Teuerung frisst den Menschen die Kaufkraft weg", erklärte Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr am Freitag dazu in einer gemeinsam mit seinem IHS-Chefkollegen Klaus Neusser abgehaltenen Pressekonferenz. Die Inflation sei durchaus auf einem Rekordniveau, nur in den Jahren 1974 und 1975 sei sie noch höher gewesen. Erneut sprach Felbermayr von Wohlstandsverlusten.

"Die Inflation bleibt ein Thema"

Für 2022 haben Wifo und IHS ihre Inflationsprognosen jedenfalls kräftig angehoben. Im Jahresdurchschnitt erwarten sie nun eine Rate von 8,3 respektive 8,5 Prozent. Nur langsam werde sich die Inflation zurückbilden, waren sich Felbermayr und Neusser einig. Für 2023 prognostizieren ihre Häuser 6,5 beziehungsweise 6,8 Prozent. Neusser sagte, dass die Inflation selbst 2024 noch weit vom 2-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank, die gerade mit Leitzinserhöhungen gegenzusteuern versucht, entfernt sein werde. "Die Inflation bleibt ein Thema."

So dürften die Gaspreise, die dabei eine zentrale Rolle spielen, aus Felbermayrs Sicht "noch länger auf hohem Niveau" verharren. "Der Höhepunkt der Preisentwicklung dürfte aber hinter uns liegen", sagte der Wifo-Chef. Auch der Ölpreis werde zurückkommen, daneben sollten sich andere Rohstoffe dank beginnender Entspannung bei den Lieferketten ebenfalls verbilligen. Demgegenüber nannte Felbermayr jedoch mehrere Faktoren, die die Teuerung weiter am Köcheln halten – darunter etwa die Euro-Schwäche zum US-Dollar, die zur Inflationsrate immerhin 1,0 bis 1,5 Prozentpunkte beisteuere, die expansive Fiskalpolitik in Form verschiedener Hilfspakete und Anti-Teuerungsmaßnahmen sowie die absehbar höheren Lohn- und Gehaltssteigerungen, die gerade verhandelt werden und zusammen mit den Energiepreisen in weiterer Folge wohl auch auf die Güterpreise durchschlagen.

Was die Brutto- und die Nettoreallöhne betrifft, geht Neusser für heuer von einem Rückgang um 4,2 respektive 2,8 Prozent aus. Erst für 2023 sieht er dank guter Lohnabschlüsse und der Steuerreform (Stichwort: kalte Progression) ein kleines Plus.

Vorerst genügend Gas

Zur Versorgung Österreichs mit Gas hieß es aufseiten des Wifo, dass von dem fossilen Energieträger bis Mitte 2023 ausreichende Mengen verfügbar seien – mitunter sogar bis Ende 2023. Auch die E-Control, die für die heimische Strom- und Gaswirtschaft zuständige Regulierungsbehörde, meldete sich am Freitag zu Wort und gab bekannt, dass die Energieversorgung über den Winter gesichert sei.

Aktuell sind die Gasspeicher hierzulande zu 85 Prozent gefüllt. Dazu kommt, dass einige Großbetriebe zusätzlich Gasvorräte im Ausland bunkern. Sollte Russland Österreich den Gashahn ganz zudrehen, wäre das laut Felbermayr nicht mehr so dramatisch wie noch vor ein paar Monaten. Es gäbe da keinesfalls Rezessionsszenarien wie in der Pandemie, in der die Wirtschaft um 6,5 Prozent geschrumpft ist. "Bei einem totalen Stopp können wir optimistischer sein – kein Armageddon", sagte Felbermayr.

Derzeit beziehe man aus Russland nur noch ein Achtel der früheren Gasmengen, vieles sei durch andere Quellen ersetzt worden. "Wir sind jetzt schon in der Lage, dass kaum mehr Gas aus Russland kommt. Das Erpressungspotenzial Putins ist inzwischen viel kleiner geworden", so Felbermayr. Dreht Moskau den Gashahn ganz zu, seien die Auswirkungen begrenzt.

Wenig hält Felbermayr indes von einem Gaspreisdeckel, wie er aktuell auf EU-Ebene diskutiert wird. "Manches klingt da für mich nicht sehr clever." Ein Gaspreisdeckel könnte zu Versorgungsengpässen führen, da Anbieter ihr Gas dann wohl woanders verkaufen – Norwegen etwa in Asien.

Arbeitsmarkt bleibt robust

Trotz konjunktureller Abkühlung weiterhin robust sehen Wifo und IHS den Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenquote werde 2023 von 6,4 auf 6,7 Prozent leicht ansteigen, während die Beschäftigung vorerst noch weiter wachse. "Die Industrierezession wird nur kleine Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen", sagte Felbermayr.

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