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Ernüchterung nach Höhenflug

Von Karl Leban

Wirtschaft
Die Voestalpine verfügt über ein komplexes Produktportfolio, auch Drähte gehören dazu.
© Voestalpine AG

Das erste Halbjahr brachte der Voestalpine noch ein Rekordergebnis. Doch nun bekommt der Konzern den Abschwung mehr und mehr zu spüren.


Immer wieder war bei Ökonomen zuletzt bereits die Rede von Anzeichen für eine Rezession in der heimischen Industrie. Auch die Voestalpine spürt inzwischen, dass die Konjunktur zunehmend an Fahrt verliert. Dennoch rechnet der weltweit tätige Linzer Konzernriese, der viele Industriebranchen mit seinen Stahlprodukten beliefert, damit, ein stabiles operatives Ergebnis im laufenden Geschäftsjahr 2022/23 (per Ende März) einfahren zu können. Wie Vorstandschef Herbert Eibensteiner am Mittwoch ankündigte, soll der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) mit 2,3 bis 2,4 Milliarden Euro auf dem Vorjahresniveau zu liegen kommen.

Das Hauptfundament für die Prognose bilden eine Rekordbilanz im ersten Geschäftshalbjahr sowie ein Einmaleffekt aus einem noch abzuschließenden Verkauf eines nicht mehr benötigten Betriebsgeländes in Düsseldorf. Aber auch in der "geografischen und branchenmäßigen Diversifikation" der Voestalpine sieht Eibensteiner eine Stütze für das Ergebnis. "Wir sind bestmöglich auf den Abschwung vorbereitet", betonte er in einer Online-Konferenz mit Journalisten.

Energiesektor boomt

Die erste Hälfte des Wirtschaftsjahres brachte dem Traditionskonzern, der rund um den Globus knapp 50.400 Mitarbeiter beschäftigt und über etwa 500 Standorte in gut 50 Ländern verfügt, jedenfalls noch Top-Ergebnisse - trotz hoher Kosten für Rohstoffe und Energie. So sprang das Ebitda um 42 Prozent auf 1,446 Milliarden Euro. Unter dem Strich - netto - verdiente das oberösterreichische Stahltechnologie-Unternehmen in den Monaten von April bis Ende September mit 715,1 Millionen Euro um nahezu die Hälfte mehr als im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres.

Profitiert habe die Voestalpine von einer hohen Nachfrage in den meisten ihrer Geschäftssparten sowie einem guten Preisniveau beim Verkauf ihrer Produkte, erklärte Eibensteiner. Kräftig - um mehr als ein Drittel auf den neuen Rekordwert von 9,295 Milliarden Euro - legte denn auch der Konzernumsatz zu.

Besonders gut lief es im Geschäft mit dem preisbedingt stark florierenden Energiesektor, aber auch im Bereich Luftfahrt, wo sich der Aufwärtstrend nach den Corona-Restriktionen fortsetzte. Zudem habe sich die Sparte Bahninfrastruktur "gewohnt solide" entwickelt, so Eibensteiner. Auch die Nachfrage der Automobilindustrie nach Zulieferungen habe sich stabil gezeigt, aufgrund anhaltender Probleme in den Lieferketten aber "auf gedämpftem Niveau". Fallend sei die Nachfrage jedoch in der Haushalts- und der Konsumgüterindustrie sowie im Bausektor gewesen.

Die größten Herausforderungen im jetzigen Konjunkturabschwung sieht Eibensteiner in Europa. In den USA sollte die wirtschaftliche Abkühlung in den nächsten kommenden Monaten indes noch überschaubar bleiben. Für das Geschäft in China verweist Eibensteiner auf das von der dortigen Null-Covid-Politik anhaltend gebremste Wirtschaftswachstum, für das Geschäft in Brasilien geht er hingegen nur von einem leichten Rückgang aus.

Gasversorgung gesichert

Was die Versorgung mit Gas betrifft, sind im Konzern vorerst keine Aktivitäten geplant, um sie weiter abzusichern. Das Gas aus dem eigenen Speicher allein würde für eine mindestens dreimonatige Vollproduktion reichen. "Wir haben 1,5 Terawatt eingespeichert", sagte Eibensteiner. "Bis auf Weiteres bleibt der Speicher gefüllt. Das ist unsere ,Versicherungspolizze‘ im Fall eines Gasmangels, das bleibt jetzt so." Aktuell beziehen die europäischen Konzernstandorte ungefähr die Hälfte ihres Gasbedarfs aus nicht-russischen Quellen.

Wegen ihres "historisch niedrigen" Börsenkurses startet die Voestalpine am Donnerstag einen Rückkauf eigener Aktien. Bis längstens 10. Juli 2023 will sie bis zu 10 Millionen Stück (5,6 Prozent des Grundkapitals) kaufen.