Experten loben Einsparungen, bemängeln aber soziale Treffsicherheit von Maßnahmen.
Im November wurde es kalt - und das merkt man bereits am Gasverbrauch. In Österreich wurden die gut gefüllten Gasspeicher angezapft — das, nachdem in den Monaten davor fleißig Gas gespart worden war - vor allem von der Industrie, aber auch von Privathaushalten. In Österreich wurden im September und Oktober etwa zehn bis 15 Prozent Gas eingespart, im November betrugen die Einsparungen lediglich fünf Prozent, sagte Johannes Schmidt, Nachhaltigkeitsforscher an der Boku bei einem Mediengespräch in der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Montag. "Bei den Einsparungen gibt es zwei Komponenten: Was ist bewusstes Verhalten und was ist wetterbedingt", sagte Schmidt. Während diese Differenzierung in Deutschland von Haus aus erfolgt, müssen diese Daten in Österreich geschätzt werden. In Deutschland betrugen die Einsparungen seit September zehn bis 20 Prozent. Dieses Jahr wurden hierzulande jedenfalls fünf Prozent weniger Gas verbraucht als in den Vergleichsjahren 2015 bis 2021, so Schmidt.
"Für den Winter sind wir in einer guten Ausgangslage", sagte Schmidt, und ergänzt: "Selbst wenn Russland das Gas komplett abdrehen würde, müsste man die strategische Reserve nicht angreifen" so Schmidt.
Österreichs Gasspeicher waren zu Wochenbeginn zu 95 Prozent gefüllt. Der Anteil russischen Gases wurde von knapp 80 Prozent zu Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine im Februar auf 21 Prozent reduziert. Die Regierung hatte in Hinblick auf Russlands Wirtschaftskrieg gegen den Westen eine strategische Gasreserve von 20 Terwattstunden angelegt.
Was der Markt regelt
Was dem Nachhaltigkeitsforscher mehr sorgen bereitet als der Speicherstand, ist der Strommarkt: "Wir haben eine Knappheit im Stromsektor", sagte Schmidt. Die Stromproduktion mit Gas sei diesen Winter so hoch wie in den vergangenen drei Jahren nicht. Grund dafür seien die niedrigen Wasserstände für die Stromproduktion aus Wasserkraft beziehungsweise die rückläufige Stromproduktion der Atomkraftwerken in Frankreich. Die Energiekrise befeuere allerdings den Ausbau von Ereneuerbaren: Heuer würden doppelt so viele Photovoltaik-Anlagen gebaut als im Vorjahr.
Für Philipp Schmidt-Dengler, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Wien, gelte es, die richtigen Sparanreize zu setzen. Zwar würden die hohen Marktpreise dazu führen, dass dort eingespart würde, wo es am leichtesten ginge, aber das würde zu sozialen Verwerfungen führen. "Wenn es eine Hungersnot gäbe, würde man das auch nicht den Märkten überlassen", so Schmidt-Dengler. Die Herausforderung sei dort einzusparen, wo es am einfachsten ginge, nämlich bei den Haushalten, jedoch sozial treffsicher zu entlasten. Die bisherigen Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung, namentlich Klimabonus und Strompreisbremse, seien sozial nicht treffsicher gewesen und hätten auch keine Sparanreize gesetzt, bemängelte der Ökonom. "Die Mehrheit der Haushalte ist von dieser Strompreisbremse, die bei 2.900 Kilowattstunden ansetzt, nicht betroffen, weil ihr Verbrauch darunter liegt", so Schmidt-Dengler. Deutschland habe mit dem Einsatz der Gaspreisbremse das treffsicherere Modell gewählt, lobte er. Diese biete Entlastung, lasse aber gleichzeitig die Preismechanismen wirken.
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