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Unternehmen im Krieg

Von Marijana Miljković

Wirtschaft

Bleiben oder gehen? Heimische Firmen halten an ihren Niederlassungen in der Ukraine und in Russland fest.


Fast ein Jahr dauert der Krieg in der Ukraine nun schon. Nach dem ersten Schock, der auf den Überfall Russlands am 24. Februar 2022 folgte, versuchten die Ukrainerinnen und Ukrainer, wo es ging, ihren Alltag wiederherzustellen - so auch die dortigen Unternehmen. "Wir sind durch unser Engagement sehr nah dran an dem Krieg", sagt Franz Föttinger, CEO des österreichischen Skiherstellers Fischer. 930 Mitarbeitende beschäftigt das Werk in Mukatschewo. Etwa hundert von ihnen wurden in den Krieg eingezogen. Die Energieversorgung für die Produktion sei gewährleistet, Fischer genieße außerdem Unterstützung der Verwaltung und Politik, "weil wir, erstens, schon sehr lang in der Ukraine tätig sind und zweitens als eines der wenigen Unternehmen auch während des Krieges in der Ukraine investiert haben", sagt Föttinger.

Das Investment belief sich auf 80 Millionen Euro. Das Unternehmen musste nach einem Brand der Fabrik 2020 ein komplett neues Werk errichten. Fiele die Produktion in der Ukraine weg, würden mehr als 50 Prozent der Ware fehlen und wertmäßig etwas weniger als 50 Prozent des Umsatzes entfallen, sagt Föttinger. Das Unternehmen hat auch einen Hilfsfonds für Familien eingezogener oder im Krieg gefallener Mitarbeiter aufgestellt.

Gleichzeitig hat Fischer Sports auch eine Niederlassung in Russland - und hat sich von diesem Markt nicht verabschiedet. Wie geht das zusammen? "Wir haben das Engagement in Russland stark eingeschränkt. Wir haben stationäre Geschäfte und den Onlineverkauf geschlossen und beliefern die russischen Nationalmannschaften nicht mehr", sagt Föttinger. "Wir haben aber gesagt, dass wir die Mitarbeiter nicht kündigen, weil es langjährige Mitarbeiter sind", verteidigt der Firmenchef das Vorgehen.

650 Firmen in Russland

Mit dieser Haltung ist Fischer Sports nicht allein. Zwei Drittel der heimischen Unternehmen sind laut einer Untersuchung der Kyiv School of Economics (KSE) trotz Russlands Angriffskriegs noch immer in Russland vertreten.

In welcher Form sie vertreten sind, das listet ein Institut der Yale School of Management fast tagesaktuell auf. Sie "hauen rein" ("digging in"), lautet etwa das Attribut bei den österreichischen Unternehmen Kronospan, Raiffeisen Bank International (RBI) oder Agrana und Kotanyi. Sie "spielen auf Zeit" ("buying time") lautet die Bewertung bei Palfinger, Red Bull und OMV. Die Liste, die kurz nach Beginn des Krieges erschien, führte dazu, dass sich mehr als 1.000 internationale Unternehmen aus Russland zurückzogen.

Laut Auskunft der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) waren vor Ausbruch des Krieges etwa 200 österreichische Unternehmen in der Ukraine tätig. Rund ein Drittel der Unternehmen ist weiterhin voll operativ, die anderen zwei Drittel arbeiten mit stark reduzierter Kapazitätsauslastung, so die Schätzung der WKO.

In Russland wiederum führten vor Kriegsbeginn circa 650 österreichische Firmen eigene Niederlassungen oder Tochterunternehmen in Russland. In der WKO schätzt man, dass sich 20 bis 30 Prozent der Unternehmen gerade aus dem Markt zurückziehen - entsprechende Beratungsleistungen der WKO-Vertretung in Moskau würden steigen.

"Schließungen oder ein schneller Rückzug aus dem Markt sind komplexe und langwierige Prozesse, da rechtlich viele Aspekte beachtet werden müssen. Denn Russland hat enorme rechtliche Hürden für einen Rückzug aus dem russischen Markt erlassen", heißt es aus der WKO. Russlands Präsident Wladimir Putin unterzeichnete im August ein Dekret, wonach es Investoren aus "unfreundlichen" Ländern verboten ist, Anteile an gewissen Schlüssel-Branchen wie dem Energiesektor und Banken ohne seine ausdrückliche Genehmigung zu veräußern. "Unfreundliche" Länder sind all jene, die Sanktionen unterstützen - also unter anderem alle EU-Staaten und die USA.

Laut der Untersuchung der Kyiw School of Economics, die die Aktivitäten von mehr als 3.000 ausländischen Unternehmen in Russland erfasst hat, haben sich erst 5 Prozent der Firmen vollständig aus Russland zurückgezogen, aber immerhin mehr als die Hälfte hat ihre Aktivitäten in Russland eingefroren. Der iPhone-Hersteller Apple beispielsweise zog sich komplett aus Russland zurück, Danone aber oder der Milka-Produzent Mondelez betreiben ihre Fabriken noch immer - und versorgen laut eigenen Angeben den russischen Markt mit dem Nötigsten. Russland geht auch nicht gerade zimperlich mit ausländischen Investoren um: Sie werden enteignet, wie etwa das deutsche Energieunternehmen Wintershall, das mit dem russischen Gasriesen Gazprom mehrere Gas- und Erdölfelder betrieb. Laut "Börsen-Zeitung" räumte Gazprom zwei Milliarden Euro vom gemeinsamen Konto.

Importe fast verdoppelt

Österreichs Importe aus Russland haben sich zwischen Jänner und Oktober 2022 jedenfalls fast verdoppelt - sie stiegen laut Statistik Austria um 98 Prozent auf 6,86 Milliarden Euro. In Deutschland stiegen die Russland-Importe im Vorjahr ebenfalls: um 11 Prozent auf 37 Milliarden Euro. Der Anstieg lag vor allem an den teuren Energielieferungen. Laut Statistik Austria kam es bei Gas zu einer Mengenreduzierung von 40 Prozent, gleichzeitig nahm der Wert der Gasimporte in den ersten zehn Monaten 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 127 Prozent zu.