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Zwei Bretter unter Belastung

Von Julian Kern

Wirtschaft

Während hohe Energiekosten den heimischen Skiherstellern zusetzen, erobern Skitourengeher den Markt.


Auf den Füßen der Athletinnen und Athleten sorgen sie in den französischen Alpen aktuell für Edelmetall. In letzter Zeit hatten sie hierzulande mit Herausforderungen zu kämpfen: die Corona-Pandemie, hohe Energiepreise, dadurch gestiegene Materialkosten und bevorstehende Lohnrunden. Die Rückkehr zur Normalität in den Skigebieten löste nicht alle Probleme: "Die Energiekosten sind aktuell natürlich eine große Herausforderung", sagt Klaus Hotter, Geschäftsführer Wintersport beim Vorarlberger Skihersteller Head.

"Diese ganzen Erscheinungen, die die Inflation mit sich bringt, schlagen auch bei uns voll durch und dementsprechend müssen wir diese Preise auch weitergeben an den Handel und somit an die Konsumenten", skizziert Franz Föttinger, Chef der oberösterreichischen Traditionsmarke Fischer Sports, die aktuelle Situation.

Knackpunkt Energie

Die Energiekosten sind es auch, die nicht nur der Bevölkerung hierzulande Sorgen bereiten: "Energieversorgung ist ein großes Thema, nicht nur bei der Skiherstellung, sondern auch bei den Bindungen und Schuhen und wir sehen auch, dass die Rohstoffherstellung eine sehr energieintensive ist. Das wird natürlich an uns weitergegeben", so Amer-Wintersports-Chef Michael Schineis. In Altenmarkt/Zauchensee ist er neben Atomic und Salomon für weitere Wintersportmarken wie Peak Performance oder Arc’teryx verantwortlich.

"Bei Atomic haben wir zum Beispiel ein Heizkraftwerk angeschlossen, das wir gemeinsam mit der Gemeinde Altenmarkt betreiben, wo wir die gesamten Pressen mit erneuerbarer Energie beschicken." Ähnliche Bemühungen gibt es auch in Ried im Innkreis, wo die Firma Fischer eines ihrer Werke mit Biomasse betreibt. "So können wir die Kosten etwas abfedern, aber das Stammwerk produziert mit Gas und da sind wir natürlich voll betroffen", sagt Föttinger. Der Markt habe die Preiserhöhungen laut Hotter bereits angenommen, "nachdem das alle Hersteller machen mussten."

Corona-Pandemie wirkt nach

In den Veröffentlichungen des Verbandes der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSÖ) verzeichnete die Branche bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 relativ konstante Zahlen: Zwischen 325.000 und 445.000 Paar Ski wurden seit der Skisaison 2010/11 pro Jahr in Österreich verkauft. "Fakt ist, dass bis vor Corona der weltweite Alpin-Ski-Markt gewachsen ist", meint Föttinger. Der Einbruch auf rund 290.000 Paar Ski in der Saison 2021/22 bedeutet einen Rückgang an Verkäufen um rund 20 Prozent. Vor der Corona-Pandemie lag Österreich mit 444.907 Paar Ski noch auf Platz zwei der weltweiten Skiverkäufe hinter den USA mit 729.683 Stück. "Der Handel war während der Corona-Zeit natürlich sehr vorsichtig, was den Einkauf anging", erklärt Schineis die entstandene Lücke. Im Innviertel spüre man die Nachholeffekte noch heute, "weil wir in Österreich eine hohe Verleihtangente haben. Über 60 bis 70 Prozent der Ski gehen in den Verleih und die Verleiher haben die letzten zwei Jahre viel weniger bestellt und erst letzten Frühling wieder massiv eingekauft", so Fischer-Chef Föttinger.

Krisengewinner Tourenski

Für die eine Produktpalette war die Corona-Pandemie und deren Auswirkungen ein Dämpfer, für andere eine Chance: "Während Corona haben wir eine deutliche Belebung des Langlaufmarktes und des Tourenmarktes erlebt", sagt Schineis. Die Gründe dafür seien laut ihm vielfältig: "Die Leute wollen einfach fit sein und wenn man ein bis zwei Stunden Touren geht, dann hat man eine Einheit, die man im Fitnessstudio nur schwer zusammenbringt, inklusive tollem Naturerlebnis." Hinzukomme, dass es heutzutage möglich sei, in Liftgegenden ohne Lawinengefahr Touren zu gehen und auf der Piste abfahren zu können. Sollte dort etwas passieren, sei die Bergrettung - anders als im ungesicherten Skiraum - sofort zur Stelle.

"Zudem hat sich die Ausrüstung dramatisch verbessert: Von den Schuhen bis zur Bekleidung", sagt Schineis. Neben mehr Kindern und Jugendlichen beobachte man auch, dass der Skitourensport immer mehr von jungen weibliche Konsumentinnen entdeckt wird, "was früher eigentlich nicht die Zielgruppe für Tourengeher war. Da ergibt sich eine junge, motivierte Zielgruppe und diese bleibt dann auch. Das sind keine Eintagsfliegen."

Ähnlich sieht man das in Oberösterreich: "Das hat sicher Potenzial, irgendwann wird es dann aber auch in Österreich eine Sättigung geben." Dass Skitourengehen den Alpinen Skisport jemals ablösen könnte, glaubt Föttinger nicht. "Einschränkend muss man sagen, dass in Relation zum gesamten Alpinskimarkt das Skitourengehen immer noch bei circa 15 Prozent ist, und wenn es einmal 20 Prozent werden, dann ist das gut. Aber dass das einmal der Hauptmarkt wird, ist momentan nicht absehbar."

Der Faktor Klimawandel

Neben den aktuellen Herausforderungen beschäftigt die Geschäftsführer der menschengemachte Klimawandel. Ein dreijähriges Forschungsprojekt der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) aus dem Vorjahr zeichnet ein relativ klares Bild bezüglich der Zukunft des Wintersports: Dieser werde nicht verschwinden, aber die Tage mit natürlicher Schneedecke werden abnehmen und um einige Höhenmeter nach oben wandern. Für Orte um die 1.000 Meter Seehöhe bedeutet das - bei Einhaltung der Pariser Klimaziele - eine Abnahme der natürlichen Schneedecke um 25 Prozent bis zum Jahr 2100 und 60 statt 75 Tage pro Winter.

Rosige Aussichten sind das nicht, wie auch Fischer Ski-Chef Föttinger weiß: "Es sind die Vorzeichen nicht so, dass der Skimarkt wachsen wird, eher stagnieren oder schrumpfen. Aber wir sehen für unsere Marke noch immenses Potenzial." Einerseits sei man am größten Skimarkt in Amerika noch unterrepräsentiert. Andererseits gebe es noch im Schuhbereich Potenziale und "die wollen wir auch nutzen. Die Klimaerwärmung ist da, die wollen wir nicht wegreden, aber wir gehen davon aus, dass die nächsten 20 Jahre noch Wintersport stattfinden wird."

Ähnlich sieht man das auch in Kennelbach in Vorarlberg: "Wenn ich heute als Unternehmer plane, eine Investition zu tätigen, dann schreibe ich diese in zehn bis zwanzig Jahre ab. Meine Meinung ist, dass sich das in diesem Zeitraum nur unwesentlich verändern wird." Zwar werde man sich überlegen, ob größere Fabriken mit Amortisationszeiten zwischen 50 und 100 Jahren noch gebaut werden, aber wer jetzt beginne, Investitionen zurückzuhalten, der liege laut Head-Chef Hotter falsch.

Russland als akute Bedrohung

Während der Klimawandel den Wintersport und damit auch den Wintertourismus wohl langfristig verändern wird, könnten aktuelle Entwicklungen im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine unmittelbare Folgen für die Firma Fischer haben. In der Westukraine, die bis jetzt großteils vom Krieg verschont geblieben ist, betreibt die Traditionsmarke ein Werk, das nach einem Brand vor zwei Jahren wieder vollständig aufgebaut wurde. Aktuell arbeite man dort im Vollbetrieb, die Voraussetzungen dafür könnten sich aber kriegsbedingt jederzeit ändern: "Wir sind natürlich nicht davor gefeit, dass weitere Mitarbeiter in den Militärdienst eingezogen werden", so Föttinger.