Oleg Wladimirowitsch Deripaska ist einer von vielen russischen Oligarchen, die Brüssel im Vorjahr wegen des Ukraine-Krieges kurzerhand auf die Sanktionsliste gesetzt hat. Das hat den Putin-Vertrauten auch bei Österreichs größtem Baukonzern, der Strabag, wo er seit 2007 über seine Holding Rasperia prominent beteiligt ist, zur "Persona non grata" gemacht. Mit entsprechenden Beschlüssen in einer außerordentlichen Hauptversammlung stellten die beiden österreichischen Kernaktionäre - die Familie von Ex-Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner sowie Raiffeisen/Uniqa - Deripaska als mitbestimmenden Aktionär jedenfalls kalt. Der Russe ließ das nicht auf sich sitzen und klagte.

Anhängig ist nun ein zivilrechtliches Verfahren - und zwar beim Landesgericht Klagenfurt, das zuständig ist, weil die Strabag ihren Sitz in Villach hat. Vor kurzem gab es einen Verhandlungstermin. Dabei kündigte Richterin Daniela Bliem an, dass das Urteil schriftlich ergehen wird. Wann genau, ist unklar. Christian Liebhauser-Karl, Leiter der Medienstelle des Gerichts und selber Richter, sagt dazu nur: "Mit der Urteilsausfertigung ist in den nächsten Monaten zu rechnen." Er spricht von einer "komplexen Rechtsmaterie", bei der es notwendig sei, in die Tiefe zu gehen.

Mit einer Bauleistung von 17,7 Milliarden Euro ist die Strabag einer der größten Baukonzerne in Europa. 
- © apa / Harald Schneider

Mit einer Bauleistung von 17,7 Milliarden Euro ist die Strabag einer der größten Baukonzerne in Europa.

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Was ist sanktionskonform?

Deripaskas Anfechtungsklage zielt darauf ab, die von den beiden österreichischen Kernaktionären mehrheitlich gefassten Beschlüsse der außerordentlichen Hauptversammlung vom 5. Mai 2022 für nichtig zu erklären. So geht es dem Milliardär konkret darum, die als ungesetzlich eingestufte Abberufung des von der Rasperia entsendeten Aufsichtsrats Thomas Bull wieder rückgängig zu machen. Weitere Beschlüsse betrafen den Ausschluss der Rasperia aus dem kontrollierenden, zusammen mit der Familie Haselsteiner und Raiffeisen/Uniqa gebildeten Aktionärssyndikat, den Entzug der Stimmrechte und die Aussetzung von Dividendenzahlungen.

Im Kern dreht sich der als brisant geltende Rechtsfall um die Frage, ob die EU-Sanktionen über das Einfrieren von Vermögenswerten und Dividenden hinausgehen und auch andere mit dem Aktienbesitz verbundene Rechte wie die Nominierung von Aufsichtsräten beschränken. "Normalerweise wird eine gütliche Einigung mit den Oligarchen angestrebt, aber in diesem Fall ist das nicht gelungen", zitiert die Finanznachrichtenagentur Bloomberg Maria Shagina, eine Expertin für Wirtschaftssanktionen am Internationalen Institut für Strategische Studien in Berlin.

Laut Shagina erlaubt die Komplexität der EU-Sanktionen, für deren Erläuterung alles in allem 300 Seiten benötigt werden, mit Russland verbundenen Unternehmen gegen die Maßnahmen vorzugehen. Wie wasserdicht die Regeln sind und "ob das, was eingefroren wird, auch vollständig eingefroren wird", müsse sich erst zeigen, so die Expertin.

Deripaska kritisiert Brüssel

Über einen Sprecher ließ Deripaska seine Kritik an den Strafmaßnahmen der EU zuletzt bekräftigen: Die Sanktionen "stützen sich ausschließlich auf falsche und unbegründete Anschuldigungen und setzen sich über die Grundprinzipien von Recht und Gerechtigkeit hinweg". Mit Hinweis auf die Strabag ließ der dem Kreml nahestehende Oligarch medial ausrichten, er habe kein Interesse daran, in dem Unternehmen die Kontrolle zu übernehmen.

Strabag verteidigt Vorgehen

Die Strabag argumentiert, dass es "zur Abwendung von Nachteilen und Schäden" für den Konzern geboten gewesen sei, Maßnahmen gegen den russischen Großaktionär zu setzen. So drohten etwa wichtige Auftraggeber nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine abzuspringen - etwa in Großbritannien, aber auch in Polen, Rumänien und der Tschechischen Republik, wie der ehemalige Vorstandsvorsitzende Thomas Birtel, Vorgänger des jetzigen CEO Klemens Haselsteiner, als Zeuge bei der jüngsten Gerichtsverhandlung in Klagenfurt zu Protokoll gab. Offiziell heißt es dazu bei der Strabag, dass allein die (mittelbare) Verbindung zu Deripaska die Geschäftstätigkeit des Unternehmens seit Kriegsausbruch belastet habe.

Bereits in der Vergangenheit hatte der Konzern vor dem Hintergrund des seit 2014 bestehenden Konflikts zwischen Russland und der Ukraine immer wieder Probleme wegen Deripaska. 2018 war er unter das Sanktionsregime der USA gefallen, weshalb es der Strabag eine Zeit lang verboten war, Dividenden an ihn auszuschütten.

In der Rüstungsindustrie tätig

Hans Peter Haselsteiner pries Deripaska einst - bei dessen Einstieg beziehungsweise beim Börsengang der Strabag vor gut 15 Jahren - als "Türöffner für Russland". Richtig in Fahrt kam das dortige Geschäft in der Folge aber nie. Inzwischen hat sich die Strabag komplett aus Russland zurückgezogen.

Deripaska (55) ist Gründer und Eigentümer von Basic Element, einem der größten russischen Industriekonglomerate. Tätig ist er in verschiedenen Branchen wie etwa Metall- und Bergbau, Autos, Maschinen, Energie und Finanzen. Auch Rüstungsgüter (zum Beispiel Radpanzer) produzieren seine Firmen. Das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" hat Deripaskas Vermögen zuletzt auf 3,4 Milliarden Dollar geschätzt.

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