Eine Ankündigung des teilstaatlichen Energiekonzerns Verbund sorgte bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern im Vorjahr für Stirnrunzeln: Mit Ende März änderte der größte Stromerzeuger Österreichs seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Strom. "Ihr Arbeitspreis unterliegt künftig einer automatischen Wertsicherung entsprechend der Entwicklung des Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI). Ihr Grundpreis ist weiterhin entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex (VPI 2005) wertgesichert.", informierte der Verbund. Unzulässig, urteilte nun das Handelsgericht Wien.
Während der Grundpreis also weiterhin an den Verbraucherpreisindex (VPI), der die Entwicklung des Preisniveaus für Konsumentinnen und Konsumenten abbildet, gekoppelt war, hat der Verbund den Arbeitspreis pro Kilowattstunde (kWh) Strom fortan vom Kurs des Österreichischen Strompreisindex abhängig gemacht. Auf Grundlage dieser Preisänderungsklausel wurden mit 1. Mai 2022 zahlreiche Verträge in Österreich angepasst. Anschließend haben sich Verbraucherinnen und Verbraucher beschwert, dass der Verbund "Strom zu 100 Prozent aus österreichischer Wasserkraft" anpreist und große Strommengen aus Wasserkraft selbst erzeugt, die Preise aber an einen vom Börsenkurs abhängigen Index bindet.
Aktienindices statt Verbraucherpreisindex
Das Problem: "Dem Durchschnittskunden ist der Verbraucherpreisindex als Wertsicherungsmaßnahme gut bekannt", so das Handelsgericht Wien. Bekannt ist dieser nicht zuletzt deshalb, da der VPI als Maßstab für die Berechnung der seit Monaten hohen Inflation dient. Der Österreichische Strompreisindex stelle hingegen eine Prognose des Großhandelspreises für den nächsten Monat dar. Da der Verbund sowohl als Erzeuger als auch als Versorger auftrete, sei es für Kundinnen und Kunden nicht erwartbar, dass sich der Arbeitspreis künftig nach Indices der Börse richte.
Am 19. Juli des vergangenen Jahres wurde der Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums aktiv und brachte eine Klage gegen den Verbund wegen jener Preisänderungsklausel ein. Seitens des VKI vermutete man damals schon, dass "die gesteigerten Preise erhebliche Übergewinne erwirtschaftet haben", so Thomas Hirmke, Leiter der Rechtsabteilung des VKI damals.
Das Handelsgericht Wien bestätigte nun jene Rechtsansicht, zumal auch die Preisanpassungsklausel unter der Überschrift "Wertsicherung Arbeitspreis" für Verwirrung sorge: "Schon die Positionierung dieser Vertragsbestimmung im Vertragsgefüge kommt daher für den Kunden überraschend und ist aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes nicht erwartbar." Die Klausel sei überraschend und nachteilig – die Preiserhöhung im Mai des vergangenen Jahres laut Handelsgericht Wien unzulässig. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Während der VKI die Rückzahlung der Entgelte im Ausmaß des entsprechenden Erhöhungsbetrages fordert, kündigte der Verbund Rechtsmittel gegen das Urteil an. Laut Schätzungen des VKI könnten österreichweit zwischen 100.000 und 200.000 Kundinnen und Kunden betroffen sein.