In Island, Belgien und sogar in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) gibt es sie bereits. USA, Irland, Neuseeland, Japan und Schweden haben sie getestet. In Spanien und Schottland stehen Pilotprojekte kurz vor ihrer Umsetzung. Die Rede ist von der Vier-Tage-Woche.
Formen davon gibt es viele: von der bloßen Umschichtung der Arbeitszeit auf vier statt fünf Tage bis hin zur Reduktion der Normalarbeitszeit. Letzteres fordern aktuell die Gewerkschaft für Privatangestellte (GPA), sozialdemokratische und Christgewerkschafter. Die volle Arbeitszeit auf 36 oder 32 Stunden zu senken, solle man zumindest ausprobieren, so die Gewerkschaften. Das Ziel: mehr Freizeit und Lebensqualität, ohne dabei an Produktivität einzubüßen. Wie das funktionieren könnte, zeigen andere europäische Länder, allen voran Island, vor. Bevor die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich dort 2021 gesetzlich festgeschrieben wurde, haben Experimente dazu über Jahre wissenschaftliche Erkenntnisse geliefert.
Meetings verkürzt oder gestrichen
Bei den meisten wurde die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden auf 35 oder 36 Stunden gesenkt und das bei gleichbleibendem Gehalt. Unter den Teilnehmenden haben sich sowohl Beschäftigte in klassischen Bürojobs, Schichtarbeitende als auch Angestellte in Kindergärten oder Spitälern wiedergefunden. Das Ergebnis: Laut der Studie steigerte sich das generelle Wohlbefinden, die Teilnehmenden berichteten von weniger Stress, mehr Zeit für Familie, Freunde und die eigene Freizeitgestaltung. Außerdem habe sich das Risiko, in ein Burnout zu schlittern, reduziert. Zudem heben die Studienautoren hervor, dass durch die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit vor allem Alleinerziehende profitieren konnten. Produktionseinbußen wurden laut Studie dadurch vermieden, indem Meetings verkürzt, oder nicht zwingend notwendige Termine und Aufgaben gestrichen wurden.
Seit 1. Dezember des Vorjahres testen die Wiener Linien die Vier-Tage-Woche: 37,5 Arbeitsstunden pro Woche verteilt auf vier Tage ohne Gehaltskürzungen. 300 Mitarbeitende haben dort aktuell die Möglichkeit, die Vier-Tage-Woche in der Praxis zu erleben und auf ihre Durchführbarkeit zu überprüfen. Ein Jahr lang soll das Pilotprojekt laufen, anschließend wird evaluiert. Bis jetzt funktioniere es gut, so die Wiener Linien. Zur Anwendung kommt dieses Modell in Bereichen der IT- und Rechtsabteilung, aber auch manchen in Abteilungen des Bau- und Fahrzeugbetriebs.
Dass auch in der Industrie mehr Möglichkeiten bezüglich Arbeitszeit denkbar wären, hat eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) im vergangenen Jahr untersucht. Im Fokus standen dort Best-Practice-Beispiele der metalltechnischen Industrie Niederösterreich in Hinblick auf Auftragsschwankungen sowie die Mitarbeiterbindung: "Wir haben uns erstmalig auf die Produktion fokussiert und konkrete Beispiele gesucht, die Ideengeber für andere Unternehmen sein könnten", so Studienautorin Julia Bock-Schappelwein.
Verschiedene Schichtmodelle als Lösung?
Bezüglich der Arbeitszeit habe sich dabei ergeben, dass die Kombination von verschiedenen Schichtmodellen ein großes Thema werden könnte. Konkret würde dies bedeuten, dass ein Industriebetrieb von einer Produktion über 24 Stunden fünf oder sieben Tage die Woche lang und der damit verbundenen dreimal Acht-Stunden-Schicht pro Tag absieht. "In einem Betrieb haben Sie dann Leute, die fünf Tage nur Frühschicht, fünf Tage nur Nachmittagsschicht und fünf Tage nur Nachtschicht haben. Ein anderer Teil der Belegschaft macht das dann im Zwei-Tages-Rhythmus, oder es gibt auch welche, die dann nur am Wochenende Schichten haben, oder es gibt zum Beispiel Teilzeitkräfte, die nur zwei oder drei Schichten übernehmen. Innerhalb eines Betriebes gibt es dann nicht nur ein Schichtmodell, sondern eine Kombination unterschiedlicher Schichtmodelle, abgestimmt auf die Präferenzen der Belegschaft", sagt die Ökonomin Bock-Schappelwein.
Die Vier-Tage-Woche hat aber auch ihre Schattenseiten. Neben potenziell längeren Arbeitstagen bedeuten weniger Tage Arbeit pro Woche auch weniger Tage Urlaub pro Jahr. Wie sie dennoch anwendbar sein könnte, versucht die heimische Industrie herauszufinden: Während der oberösterreichische Motorradhersteller KTM sein Pilotprojekt bereits wieder beendet hat, befindet sich diese beim Elektroindustrieunternehmen Fronius knapp 100 Kilometer entfernt gerade in der Umsetzung. 12 Wochen lang soll getestet werden, wie sich dieses Modell auf die Produktion auswirkt und ob und wie es künftig angewandt werden könnte.