Der Frage der Sicherheit und Verlässlichkeit von Lieferketten widmet sich in den kommenden fünf Jahren ein neues Forschungsinstitut unter der Leitung des Komplexitätsforschers Peter Klimek. Insgesamt 10 Millionen Euro über fünf Jahre hinweg stellen das Wirtschaftsministerium und das Land Oberösterreich für das "Supply Chain Intelligence Institute Austria" (ASCII) zur Verfügung, wie am Montag in Wien mitgeteilt wurde. So sollen unter anderem drohende Engpässe frühzeitig erkannt werden.
Getragen wird die Einrichtung von den Gründungsorganisationen - dem Complexity Science Hub (CSH) Vienna, dem Logistikum der Fachhochschule Oberösterreich, dem Verein Netzwerk Logistik und dem Wifo. Dass es um die Belastbarkeit von Produktions- und Logistiknetzwerken vielfach nicht so gut bestellt ist, wie oft vermutet, haben die Krisen der vergangenen Jahre deutlich vor Augen geführt.
Infolge von Corona und des Ukraine-Krieges war und ist die Verfügbarkeit von Rohstoffen, Verpackungsmaterial, Mikrochips, wichtigen Einzelteilen für Autos, aber zuletzt auch von Medikamenten zurückgegangen. Die wirtschaftlichen Folgeschäden waren teilweise weithin spürbar. "Wir haben hier tatsächlich ein Problem", sagte Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) am Montag vor Journalisten.
15 Forscher in Vollzeit
Kochers Ressort stellt 7,5 Millionen Euro für das ASCII zur Verfügung, vom Land Oberösterreich kommen 2,5 Millionen. Mit seinem Fokus auf die Verbindung von Komplexitätsforschung, Ökonomie und Logistik habe man die Voraussetzungen für ein "Vorzeigeinstitut" geschaffen, betonte der Minister. Europaweit gebe es derzeit nichts Vergleichbares, sagte Wifo-Chef und ASCII-Präsident Gabriel Felbermayr. Wie er weiter erklärte, wolle das ACSII ein daten- und wissenschaftsgetriebenes Institut sein - mit dem Anspruch, politikrelevante Informationen bereitzustellen. Mit der neuen Struktur - das ASCII wird vom CSH aus geleitet und erhält neben Wien einen zweiten zentralen Standort in Steyr (Oberösterreich) - wolle man auch Forscher aus dem Ausland anziehen.
Als erste Themen werde man die Abläufe rund um die weitreichenden Verknüpfungen bei Produktions- und Verteilungsprozessen von Mikrochips oder Medikamenten angehen, sagte Felbermayr. So habe sich in letzterem Bereich auch gezeigt, dass Flaschenhälse an ganz unerwarteten Stellen auftreten können, wenn etwa das Verpackungsmaterial für Medikamente fehle, so ASCII-Leiter Klimek. Er werde sich nun hauptsächlich um den Aufbau und Betrieb des neuen Instituts kümmern, bleibe aber auch weiter in reduziertem Ausmaß an der Medizinischen Universität Wien und am CSH tätig, wie er der Austria Presse Agentur sagte. Im Vollausbau soll die Einrichtung rund 15 in Vollzeit beschäftigte Forscher umfassen, die in enger Kooperation mit den Gründungsmitgliedern arbeiten.
"Lehre aus den Krisen"
In der Pharmabranche seien die vergangenen Jahrzehnte der Globalisierung eigentlich eine starke Phase der "Konzentrierung" gewesen, so Klimek. Hier stelle sich die Frage, wo nun die Abhängigkeiten liegen und wie ihnen mit dem Zurückholen von Produktion, mit Bevorratung, Veränderungen bei Medikamentenzulassungen, anderer Preisgestaltung und breiter aufgestellter Beschaffung begegnet werden könne. Es stehe nun auch viel Kleinarbeit, was die Aufbereitung und Beschaffung von Daten betrifft, an. Trotzdem wolle man bereits in den kommenden Wochen mit einer Studie zum Pharma-Sektor aufwarten, kündigte Klimek an. Geht es nach ihm, sollen die ASCII-Analysen öffentlich zugänglich sein.
Die Politik erhoffe sich, dass künftig Risiken früh erkannt und bessere strategische Entscheidungen getroffen werden können, erklärte Kocher. Man müsse exakter wissen, welche Folgen Mängel hätten, und entsprechende wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen. Für den oberösterreichischen Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) ist das neue Institut "eine Lehre aus den Krisen". Eine starke Verortung in Oberösterreich sei wichtig. Denn dort wirtschafte ein großer Teil der Industrie in Österreich - etwa am Automotive-Standort Steyr, wo BMW stark in die Produktion von Elektroautos investiere. (apa/red.)