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Migrationsgeschichte als Handicap

Von Barbara Sorge

Wirtschaft

Frauen, die nicht in Österreich geboren wurden, weisen eine große Einkommenslücke auf.


Frauen verdienen weniger als Männer: Dass das kein Mythos ist, sondern ein Fakt, zeigen die Daten der Statistik Austria. Eine aktuelle Auswertung ergibt, dass Österreich im EU-Vergleich zu jenen Ländern zählt, in denen der geschlechtsspezifische Lohnunterschied - der Gender Pay Gap - am größten ist.

Einkommenslücke von 60 Prozent

Besonders betroffen von diesem Einkommensunterschied sind Frauen mit Migrationsgeschichte. Diese Gruppe hat sich das ökosoziale Momentum Institut in einer Analyse genauer angesehen. Von den insgesamt 2,07 Millionen analysierten erwerbstätigen Frauen ist rund ein Viertel (500.000) nicht in Österreich geboren und hat damit einen Migrationshintergrund. Sie verdienen nicht nur weniger als Männer mit Migrationshintergrund, sondern auch weniger als Frauen ohne Migrationshintergrund. Während der Einkommensunterschied in der Gruppe der Erwerbstätigen ohne Migrationshintergrund 35 Prozent beträgt, ist der Unterschied in der Gruppe der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund 41 Prozent. Zwischen Frauen mit (15.430 Euro) und Männern ohne Migrationshintergrund (38.200) beträgt die Lücke ganze 60 Prozent.

Die Gründe für die Einkommensunterschiede können die unterschiedlich langen Arbeitszeiten sein, da Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten. Das ist meistens der Fall, wenn sie unbezahlte Sorgearbeit für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige leisten. Frauen ohne Migrationshintergrund verdienen im Schnitt 24.780 Euro im Jahr, also um rund 9.300 Euro mehr als ihre Kolleginnen mit Migrationshintergund. Und das, obwohl Letztere zu 46 Prozent in Teilzeit arbeiten, Erstere zu fast 50 Prozent: "Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass die Einkommenslücke noch größer wäre, würden sie gleich häufig Teilzeit arbeiten, wie Frauen ohne Migrationshintergrund," sagt Verteilungsökonom Mattias Muckenhuber von Momentum.

Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass Frauen mit Migrationshintergrund eher in Niedriglohnbranchen arbeiten: Sie sind vor allem zu finden in der Gastronomie und Beherbergung (31 Prozent), in der Leiharbeit (24 Prozent), Erziehung (20 Prozent), Gesundheit (18 Prozent) oder Landwirtschaft (18 Prozent). Muckenhuber erklärt, dass in dieser Gruppe der Anteil jener größer ist, die nur einen Pflichtschulabschluss vorweisen können. Auch sehe man, dass es bei Personen, die nicht aus EU-Ländern kommen, Probleme bei der Anerkennung von Bildungsabschlüssen gibt. Ebenso könnten fehlende Sprachkenntnisse ein Grund für den höheren Anteil an Niedriglohnbranchen sein.

Auch "stille Reserve" überwiegend weiblich

Der Gender Pay Gap bezieht sich wie die Arbeitslostenzahlen auf die erwerbstätigen Menschen. Doch auch in der sogenannten "stillen Reserve" ist der Anteil der Frauen groß. Eine Studie des Sora-Instituts im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) zeigt, dass sich im 3. Quartal 2022 insgesamt 71.259 Menschen in der stillen Reserve befanden. Diese wollen zwar grundsätzlich wieder arbeiten, suchen aber derzeit nicht aktiv nach einem Job. Der überwiegende Anteil ist mit 38.899 Personen durchwegs weiblich, viele sind niedrigqualifiziert, Mütter oder Frauen mit Migrationshintergrund.

Diese Frauen sind aus unterschiedlichen Gründen vom Arbeitsmarkt enttäuscht, wie es Ines Stilling, ehemalige Frauenministerin und nun Leiterin des Bereichs Soziales in der AK Wien, bei einer Pressekonferenz zusammenfasste. Sie gaben neben Diskriminierungen auch eine geringe Entlohnung, nicht der Qualifikation entsprechende Tätigkeiten oder körperlich und emotional belastende Arbeitsbedingungen an, wie Sora-Studienautor Daniel Schönherr ausführte.

Um diese Menschen zu erreichen, fordert die AK bessere Beratungs- und Qualifizierungsangebote des AMS. Auch hier sei ein Ausbau der Kinderbetreuung notwendig, sei doch für jede dritte Mutter die Jobsuche aufgrund von Betreuungspflichten nicht möglich. Außerdem wird auf die Reform des Gesundheits- und Pflegebereichs gedrängt, damit der Druck auf einzelne Beschäftigte sinkt.

Auch wenn der Einkommensunterschied in den vergangenen zehn Jahren kleiner geworden ist, scheint der Weg zum EU-Durchschnitt oder gar zu einer tatsächlichen Auflösung der Differenz noch ein langer zu sein.•

Viele Frauen sind vom Arbeitsmarkt enttäuscht.