WKO-Präsident Harald Mahrer ist mit der derzeitigen Situation in Österreich unzufrieden. Mut und Ambition seien in diesem Land verloren gegangen, sagte der oberste Kämmerer am Mittwoch vor Journalisten. Bei den derzeit wichtigen Themen müsse man "vom Quatschen ins Tun" kommen. Am Arbeitsmarkt fehlten 220.000 Leute. Um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, brauche es einen Ausbau der Kinderbetreuung, Anreize für längeres Arbeiten im Alter und qualifizierte Zuwanderung.

Auch die Steuerbefreiung von Überstunden sei ein Thema, das schon länger am Tisch liege, aber noch nicht gelöst sei. Seine Vorschläge untermauerte Mahrer mit einer in Auftrag gegebenen Market-Umfrage, für die 1.000 Unternehmen und 2.000 Österreicherinnen und Österreicher befragt wurden. Demnach sieht rund jeder zweite Befragte einen Anreiz darin, mehr zu arbeiten, wenn für Überstunden keine Steuern mehr bezahlt werden müssten. Bei Jüngeren sei die Überstundenbereitschaft sogar noch höher, sagte Mahrer.

Gemäß dieser Befragung würden mehr als drei Viertel (77 Prozent) länger Arbeiten, wenn man ab dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter abgabenfrei zur Pension dazuverdienen könnte. Unter den befragten Firmen können sich 74 Prozent "auf jeden Fall" bzw. "eher schon" vorstellen, zumindest für ein paar Stunden eine pensionierte Person zu beschäftigen. "Es ist ein Märchen, dass Junge keine Leistung mehr bringen wollen und Ältere in Betrieben nicht gern gesehen sind", so Mahrer.

"Wirre Teilzeitdebatte"

Wirksamste Maßnahme zur Reduktion des Fachkräftemangels ist sowohl aus Sicht der Firmen (82 Prozent) als auch aus Sicht der befragten Österreicherinnen und Österreich (82 Prozent) die Verbesserung der Kinderbetreuung bzw. der Ausbau der Betreuungszeiten. Die von Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) angestoßene Teilzeitdebatte sei "sehr wirr" geführt worden, sagte Mahrer. "Was ich ablehne, das sind Zwangsverpflichtungen. Es gibt nicht nur einen Weg", so der WKÖ-Chef. Mehrarbeit müsse sich aber auszahlen. Eine flächendeckende gratis Kinderbetreuung sei zwar nicht finanzierbar, Länder und Gemeinden müssten aber mehr Geld in die Hand nehmen.

Ein Teil des Fachkräftebedarfs könnte durch qualifizierte Zuwanderung über die Rot-Weiß-Rot-Karte gedeckt werden. Die Rot-Weiß-Rot-Karte ermöglicht Personen aus Ländern außerhalb der EU oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) einen leichteren Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Dabei soll der Zugang nicht wie bisher nur "höchstqualifizierten" Zuwanderern wie IT-Experten ermöglicht werden, sondern auch "qualifizierten" wie Elektrotechnikern oder Schweißern. Im Pflegebereich, wo sich der Personalmangel in den nächsten Jahren besonders bemerkbar machen wird, gebe es Pilotprojekte in Vietnam und auf den Philippinen, die Leute dort auszubilden, um sie dann nach Österreich zu holen.

Mit konkreten Forderungen blieb Mahrer insgesamt zurückhaltend. Das sei politische Aufgabe. Ein klares Nein kam zum Thema Arbeitszeitverkürzung. Dann würden Österreich nämlich weitere 200.000 fehlen. "Die Lösung ist nicht, alle arbeiten weniger." (apa)