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Kampf gegen Windmühlen

Von Julian Kern

Wirtschaft

Einst galt Oberösterreich als Vorreiter in Sachen Windkraft, doch dann wurden 27 Vorrangzonen gekippt und die Ausschlusszonen erweitert. Wenige Kilometer vom Attersee entfernt soll dennoch ein altes Projekte neu aufgerollt werden.


Adam und Eva. So heißen die im Jahr 1996 in Eberschwang aufgestellten Windräder. Die Namen kommen nicht von ungefähr, schließlich waren es die ersten beiden österreichweit. In puncto Windkraft galt Oberösterreich damals als Vorreiter: 2012 wies die damals schwarz-grüne Koalition in der Landesregierung im Windkraftmasterplan sogar 27 Vorrangzonen für neue Windparks aus.

Fünf Jahre und einen Wechsel zu Schwarz-Blau später gab es plötzlich keine Vorrangzonen mehr. Auch die Ausschlusszonen, in denen keine Windkraftanlagen gebaut werden sollen, wurden erweitert. Statt Windräder hatten fortan das Landschaftsbild, der Schutz von Vögeln und die Erhaltung geschlossener Waldflächen Vorrang. Entsprechend schleppend ging in der Folge der Ausbau der Windkraft voran. Zwischen 2014 und 2022 wurden in Kärnten neun Windräder gebaut, in der Steiermark 49 und in Niederösterreich sogar mehr als 250. In Oberösterreich waren es in den vergangenen acht Jahren dagegen nur drei neue Anlagen.

Neuer Anlauf am Saurüssel

Mit der Rolle als Nachzügler auf Länderebene will sich die Gemeinde Straß im Attergau, die am Fuße des Saurüssels liegt, aber nicht abfinden. Auf dem knapp 1.000 Meter hohen Höhenrücken sollen, so hoffen zumindest die Befürworter in der Region, Windräder in absehbarer Zeit Strom liefern.

Auf der Fahrt in die 1.500-Seelen-Gemeinde passiert man zahlreiche Bauernhöfe, deren Dächer großteils mit Photovoltaik-Anlagen bedeckt sind. Sechs Kilometer vom Sommeridyll Attersee entfernt, gewinnt man den Eindruck, dass die Energiewende bereits stattfindet. Auch Bürgermeister Thomas Mayrhofer spricht nahezu euphorisch über die Energievorhaben im Gemeindegebiet: "2011 haben wir einen Bürgerbeteiligungsprozess gestartet, wo wir uns angesehen haben, welche Themen uns wichtig sind. Eines der großen Themen war die Energie." Schon vor mehr als zehn Jahren setzte sich die Gemeinde das Ziel, energieautark zu werden und "dass wir alles, was es an alternativen Energieformen gibt, auch nutzen wollen".

Potenzial für Windkraft entdeckt

Der Zeitpunkt schien ideal, schließlich wurden ja fast zeitgleich die Vorrangzonen des Landes Oberösterreichs ausgewiesen. Auch Straß im Attergau wurde so eine Zone eingeräumt, womit die Gedankenspiele rund um einen Windpark anfingen. Die Suche nach einem Projektpartner entfiel – die Bundesforste meldeten sich prompt als potenzieller Projektwerber: "Schon vor mehreren Jahren haben wir Windmessungen am Saurüssel durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass die Region zur Gewinnung erneuerbarer Energie aus Windkraft jedenfalls Potenzial hat."

Der Gemeinderat und der Grundeigentümer Friedrich Mayr-Melnhof befürworteten den potenziellen Windpark damals von Anfang an. Weiter ging die Planung allerdings nicht, weil die Projektflächen im Windkraft-Masterplan 2017 als Ausschlusszonen ausgewiesen wurden. Eine Genehmigung galt damit fortan als unwahrscheinlich. Gleichzeitig drehte sich auch die einst positive Grundhaltung. In den Nachbargemeinden von Straß nahm der Widerstand zu, der Windpark wurde auch über die Grenzen der Orte hinaus zum Politikum. "Externe Windenergie-Gegner haben damals das Projekt genutzt, um Stimmung zu machen", erzählt Richard Niederreiter, Obmann vom Verein Energievision Attergau-Mondseeland und ÖVP-Gemeinderat in Mondsee.

Aufgeben will man in Straß dennoch nicht, auch, weil die Protagonisten anders als vor fünf Jahren daran glauben, dass ein Windkraftprojekt auch in einer Ausschlusszone genehmigungsfähig ist. Das neue Projekt fällt allerdings kleiner aus als das ursprünglich geplante. Statt zehn Windrädern verteilt auf fünf Gemeinden sollen es nun nur fünf werden. Windmessungen am Saurüssel zufolge würden diese fünf Anlagen des Typs Vestas V163, die über einen Rotordurchmesser von 163 Metern verfügen, aber dennoch 60.000.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr liefern und damit mehr als 15.000 Haushalte mit Energie versorgen können.

Kosten soll das Projekt laut den Bundesforsten zwischen 40 und 45 Millionen Euro. Inkludiert sind darin nicht nur die Kosten für die fünf Windräder, die pro Anlage zwischen acht und neun Millionen Euro liegen, sondern auch die Zufahrtsstraßen und der dafür notwendige Netzausbau. Schultern sollen diese Kosten allerdings nicht die Bundesforste alleine, auch die EWS Consulting GmbH – ein privates Unternehmen, das seit den 1990er Jahren zahlreiche erneuerbare Energieprojekte plant und umsetzt – sowie der Verein Energievision möchten sich beteiligen: "Unser Anteil soll dann über eine Genossenschaft oder über eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit stillen Teilhabern finanziert werden. Dadurch soll möglich sein, dass jeder in den angrenzenden Gemeinden limitiert Anteile kaufen kann und somit direkt am Gewinn beteiligt ist", sagt Niederreiter.

Rückenwind durch UVP-Novelle

Rückenwind für das Saurüssel-Projekt erhofft man sich in Straß nicht zuletzt durch die Anfang März im Nationalrat beschlossene Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Diese sieht vor, dass Verfahren in Zukunft effizienter abgewickelt und Doppelprüfungen derselben Fragen - zum Beispiel zum Landschaftsbild - vermieden werden. Zudem dürften vorhandene beziehungsweise nicht vorhandene Zonenausweisungen in der Energieraumplanung der Bundesländer an Bedeutung verlieren. Die Eignung des Standorts wird ohnehin im UVP-Verfahren geprüft, und auch die Zustimmung der Gemeinde wird im Rahmen dieser Prüfung eingeholt, so das Klimaschutzministerium.

In Straß könnte das Projekt frühestens in sechs Monaten, spätestens in zwei bis drei Jahren das Widmungsverfahren abgeschlossen haben und in weiteren zwei Jahren umgesetzt werden. Abhängig ist das laut Joachim Payr, der auch schon das Ursprungsprojekt plante, vom Willen der oberösterreichischen Landesregierung, den Anpassungen des ursprünglichen Projektes an den heutigen Stand der Technik, neuen ornithologische Untersuchungen und davon, welche Unterlagen das Land zusätzlich noch benötige.

Künftig neue Windparks?

Fraglich bleibt dennoch, ob die Windkraft in den kommenden Jahren zu einer Herzensangelegenheit der Landesregierung wird. So ist in der im Jänner vorgestellten Klima- und Energiestrategie, wenn es um erneuerbare Energien geht, vor allem von Wasserkraft, Biomasse, Solarenergie und Geothermie die Rede. Windkraft kommt dagegen nur unter dem Aspekt des "Repowering" vor, also dem Ausbau bestehender Windparks oder der technischen Modernisierung alter Anlagen. Ob ein neuer Windpark gebaut wird oder nicht, wird damit vor allem von Initiativen wie jener in Straß abhängen. "Jedes Projekt, das eingereicht wird, wird von den Fachabteilungen geprüft und - wenn es aus fachlicher Sicht genehmigungsfähig ist - auch genehmigt", sagt Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner von der ÖVP.

Dass Windräder nicht jedem gefallen, ist auch dem Straßer Bürgermeister klar. "Ich würde mir nie sagen trauen, dass das alle mittragen. Es gibt auch Personen, die das nicht wollen, weil sie die Windräder von ihrem Haus aus sehen würden", sagt Mayrhofer, der einen konkreten Projektentwurf unbedingt auch mit der Bevölkerung abstimmen will. "Fakt ist aber, dass wir nicht von allen anderen Mut und Taten fordern können, wenn wir selbst nicht bereit sind, anzufangen."