Wie viele andere österreichische Unternehmen ziert sich auch die Raiffeisen Bank International (RBI) vor einem Rückzug aus Russland. Trotz des mehr als ein Jahr andauernden Angriffskrieges auf die Ukraine. Scharfe Kritik und Sanktionen gegen die Leasing-Tochter und den Vorstandschef der russischen Tochterbank von Raiffeisen, Sergej Monin, konnten bis dato nichts daran ändern. Man sei "kein Würstelstand, der über Nacht zugesperrt werden könne", hieß es vor einem Jahr seitens Vorstandschef Johann Strobl.
Nachdem auch die Europäische Zentralbank zuletzt den Druck auf die Raiffeisen-Tochter erhöhte, sollen Optionen in Russland nun eingegrenzt werden. Man konzentriere sich auf Transaktionen, die zum Ausstieg führen, sagte Strobl am Donnerstag in der Hauptversammlung der Bank in Wien. Konkret steht ein Verkauf oder eine Abspaltung im Raum.
Die RBI, als zehntgrößte russische Bank und größter westlicher Kreditgeber im Land, hatte unmittelbar nach Kriegsausbruch ihr Neugeschäft dort weitgehend eingestellt. Der Gewinn in Russland stieg 2022 trotz Herunterfahrens des Kreditgeschäfts auf mehr als zwei Milliarden Euro. Bisher hielt sich das Institut in Bezug auf Russland "alle Optionen" offen, wodurch der Eindruck entstand, man wolle den Ukraine-Krieg und die Sanktionen aussitzen.
Nun kündigte der Konzern offenbar seinen Rückzug an. "Wir haben uns dazu entschieden, Transaktionen, die zu einem Verkauf oder einer Abspaltung der Raiffeisenbank Russland und ihrer Entkonsolidierung aus dem RBI-Konzern führen, in voller Übereinstimmung mit den lokalen und internationalen Gesetzen und Vorschriften und in Absprache mit den zuständigen Behörden weiterzuverfolgen", sagte Strobl.
In der Zwischenzeit sollen Geschäftsaktivitäten der Bank in Russland weiter zurückgefahren werden. Konkret geht es um reduzierte Volumina bei Kundenkrediten und Fremdwährungstransaktionen, die zu einer Verringerung des Zahlungsverkehrsgeschäfts des RBI-Konzerns führen würden. In allen Szenarien, auch im Fall einer vollständigen Entkonsolidierung der Raiffeisenbank ohne Gegenwert, würde die Kernkapitalquote des RBI-Konzerns robust bleiben, versicherte der RBI-Chef.
"Kaum ein wünschenswerter Käufer zu finden"
Die RBI werde allerdings Bankgeschäfte beibehalten, um ihre Banklizenz nicht zu verlieren. Zudem werde sie ihre Kunden weiter unterstützen und der Fürsorgepflicht der rund 9.000 in Russland Beschäftigten nachkommen, versicherte Strobl, ließ aber offen, wann eine Entscheidung getroffen würde. Eine Abspaltung würde zumindest einige Monate dauern und bedürfe der Zustimmung der Aktionäre. Diese würden dann zwei Aktien besitzen, eine für die RBI ohne Russland und eine zweite für das Russlandgeschäft. Laut Spaltungsgesetz müsste die zweite Aktie an einer europäischen Börse notieren.
Ein Verkauf der Russland-Tochter hingegen könnte schneller gelingen, sofern der russische Präsident einverstanden ist und es einen Käufer gibt, der keinen Sanktionen unterliegt. Laut Reuters gebe es zwei ernstzunehmende Interessenten für die russische Tochterbank, einer davon komme aus Russland.
Aufsichtsratschef Erwin Hameseder dämpfte die Hoffnungen auf einen Verkauf: "Der Marktwert unserer Beteiligung, für die sich in der aktuellen Lage kaum ein wünschenswerter Käufer finden lässt, ist drastisch gesunken." Die Präsenz in Russland werde die RBI jedenfalls nicht leichtfertig aufgeben, so der Aufsichtsratschef in seiner Eröffnungsrede. Die Schadensminimierung habe dabei oberste Priorität.
Unliebsame Nebengeräusche
Hameseder wehrte sich zudem gegen Kritik an der Bank "Wir erleben, dass die RBI aus der völlig risikolosen Behaglichkeit einzelner Redaktionsstuben heraus belehrt und ihr unmoralisches Verhalten vorgeworfen wird".
Derweil blieb die Hauptversammlung der RBI nicht ohne Zwischenrufe. Ein Aktivist unterbrach Strobl und beschimpfte den Konzern auf Russisch als "Terrorist" und "Kriegsverbrecher." Der RBI-Chef verurteilte den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und verwies auf die humanitären Projekte der Bank für Ukrainer. Dass jemand trotz dieser Hilfen noch unzufrieden sein könne, müsse er zur Kenntnis nehmen. (apa/reu)