Für das DPD-Verteilerzentrum Kalsdorf bei Graz hagelt es derzeit heftige Kritik: Zusteller, die dort über Subfirmen tätig sind, klagen über extreme Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung, wie zuerst die Tageszeitung "Der Standard" am Donnerstag mit dem Verweis auf mehrere "Hundert Seiten Dokumente aus dem Logistikzentrum Kalsdorf bei Graz (Depot 0628)" berichtete.
Dem Blatt zufolge arbeitete ein Zusteller im April 2022 durchschnittlich 15 Stunden, an mehreren Tagen bis zu 17 Stunden - und er legte dafür bis zu 370 Kilometer täglich zurück. Netto habe er in diesem Monat circa 5,20 Euro pro Stunde verdient. Laut "Standard" beschwerten sich die Zusteller über zu lange Arbeitszeiten ohne Pausen, unbezahlte Überstunden, ausstehende Gehälter, Lohndumping und Sozialbetrug sowie dubiose Vertragskonstrukte. Stelle ein Zusteller ein Paket falsch oder zu spät zu oder halte sein Auto nicht sauber, müsse er 50 Euro Strafe zahlen. Besonders teuer werde es, berichtet der ORF, wenn ein Zusteller binnen sechs Monaten kündige. Dann müsse er für die Einschulung 1.000 Euro zahlen.
DPD weiß von den Zuständen
Zusteller beginnen laut den Aufzeichnungen bereits um halb fünf, zu Weihnachten noch früher. Zuerst scanne er die Pakete und schlichte sie in seinen Transporter. Erst gegen acht Uhr fahre er los. Von 100 bis zu 350 Stopps müsse ein Zusteller pro Tag machen, zitiert der "Standard" einen. Die Zusteller arbeiten für gut 15 Subunternehmer im DPD-Depot, wobei die Mitarbeiter von ähnlichen Zuständen bei diesen Unternehmen berichteten.
Viele Indizien deuten laut "Standard" darauf hin, dass DPD von den Zuständen weiß: "DPD liegen sämtliche Informationen vor, aus denen sich die Arbeitsbedingungen der Fahrer leicht ableiten lassen." Außerdem schreibe das österreichische Postmarktgesetz vor, Statistiken unter anderem über Sendungsmengen, Aufgabe- und Zustellzeitpunkte, Beschäftigte und Subunternehmer zu erheben und an die Rundfunk- und Telekom Regulierungs-GmbH zu übermitteln.
Wie in der Branche üblich, arbeite auch DPD mit Transportpartnern zusammen, so das Unternehmen zum "Standard". Die Vorwürfe könne man "nicht nachvollziehen", man weise sie "strikt zurück". DPD: "Wir achten sehr genau auf die Einhaltung aller geltenden gesetzlichen Vorschriften und prüfen diese sowohl regelmäßig als auch engmaschig durch interne und externe Spezialisten."
"Wie alle anderen Paketlogistiker auch, arbeiten wir mit Transportpartnern zusammen. Sie übernehmen die Zustellung der Pakete in bestimmten Gebieten und sind sowohl organisatorisch als auch wirtschaftlich eigenständige Logistikunternehmen, denen neben der Auslieferung der Pakete, auch die gesamte Tourendisposition (Toureneinteilung Zusteller:innen) obliegt", merkte Gebrüder Weiss Paketdienst als DPD-Gesellschafter und Betreiber dieses Depots an.
Gewerkschaft Vida bestätigt Vorwürfe
"Unsere Transportpartner verpflichten sich vertraglich dazu, alle geltenden Gesetze einzuhalten. Zudem kontrollieren wir deren Einhaltung laufend auf externer (Behörden) und interner (Audits) Basis." Die Vorwürfe würden sich auf die Aussagen einzelner Mitarbeiter eines Transportpartners stützen und seien nicht repräsentativ.
Die Gewerkschaft Vida bestätigte die Vorwürfe gegenüber dem ORF Steiermark. Die katastrophalen Zustände seien seit drei bis vier Jahren bekannt, sagte Gewerkschafter Hans-Peter Wikel. In der Regel handle es sich um Einzelunternehmer, die als Subunternehmer ausliefern. Meist handle es sich um ausländische Arbeitskräfte mit geringen Sprachkenntnissen, die nicht wüssten, welche Verträge sie unterschreiben.
Diese Zusteller seien oft bei der Krankenkasse nicht angemeldet und daher auch nicht versichert. Rechtlich seien diese Vereinbarungen zulässig. Moralisch bedenklich sei es. Daher fordere die Gewerkschaft zu besseren Rahmenbedingungen und strengere Kontrollen auf.
Philipp Broker von der Arbeiterkammer Wien erklärte in der ORF-Nachrichtensendung "ZiB2", dass hier eine gesetzliche Regelung wie in Deutschland nötig sei, wo der Hauptauftraggeber für alle Subunternehmen hafte. Derzeit sei es so, dass die Transportunternehmen den Zustellern als Scheinselbstständigen erklären würden, dass Arbeitszeit- und Ruhegesetze für sie nicht gelten würden. (apa/red.)