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Hohe Anfangshürden bei der Lehre

Von Julian Kern

Wirtschaft
Ein eigenes Einkommen, wegfallender Schulstress und im besten Fall Aufstiegsmöglichkeiten. Interesse an Lehrberufen besteht, doch viele schreckt das Image ab.
© Senoplast

Viele junge Menschen haben grundsätzlich Interesse an einem Lehrberuf, doch häufig schreckt sie das schlechte Image ab.


In der IT, im Tourismus, der Industrie, im Bauwesen und vor allem im Gesundheits- und Krankenpflegebereich. Aus einem Fachkräftemangel ist längst ein Arbeitskräftemangel geworden. Der Hauptgrund dafür sind große Alterskohorten, die den Arbeitsmarkt verlassen, während nur kleinere nachrücken. Eine Stellschraube am Jobmarkt, die seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, ein schlechtes Image hat, ist die Lehre.

"Die Wertigkeit der Lehre hat in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen", sagt Robert Machtlinger, Geschäftsführer des oberösterreichischen Flugzeugzulieferers FACC und Präsident der branchenübergreifenden Initiative "Zukunft Lehre Österreich" (ZLÖ). Die Gründe dafür sind vielfältig. Rund 1.000 mündlich Befragte gaben an, dass aus ihrer Sicht vor allem Aufstiegschancen gegen das Erlernen eines Lehrberufes sprechen. 58 Prozent führen zudem einen schlechten Umgang mit Lehrlingen ins Treffen. Machtlinger sieht einen weiteren, sehr banalen Grund in den Begrifflichkeiten. "Ein Problem an und für sich ist das Wort Entschädigung (Lehrlingsentschädigung als Entgelt, Anm.), das verwendet wird, wenn man einen Beruf lernt."

Eigenes Einkommen und wegfallender Schuldruck

Seit fünf Jahren versucht die unabhängige, gemeinnützige und branchenübergreifende Initiative "Zukunft Lehre Österreich" die Lehrlingsausbildung und ihre Vorteile "ins richtige Bild zu rücken." Dabei gehe es vor allem um das Transportieren der positiven Aspekte. Und den stärksten dieser Vorteile sehen mehr als 90 Prozent der Befragten im eigenen Geld und Einkommen. Das damit einhergehende "auf eigenen Füßen stehen können" erhält ebenso eine hohe Zustimmung.

Weitere Aspekte, eine Lehre zu beginnen, sehen die Befragten im wegfallenden Schuldruck und der Abhängigkeit vom Schulalltag. Aspekte, die künftig stärker vermittelt werden sollen, damit wieder mehr Jugendliche soziale, handwerkliche oder technische Berufe erlernen. Denn obwohl den Befragten laut Umfrage vor allem die Aufstiegschancen fehlen, denkt fast die Hälfte der Befragten über eine Lehrlingsausbildung nach.

Wenn sich eine Person für die Lehre entschieden hat, sei es hingegen nicht mehr schwer, diese zu halten. Vorausgesetzt, das Betriebsklima passt. Das geht aus einer zweiten Studie der IMAS hervor, für die mehr als 100 Unternehmer und Ausbildner in Bezug auf die Lehrlingsausbildung befragt wurden.

Die wichtigsten Gründe, dass Ausgebildete im Unternehmen bleiben, sind eine sinnvolle Tätigkeit, ein attraktives Entgelt und das Aufzeigen weiterer Karriereschritte. Mit 96 Prozent jedoch am wichtigsten ist das Betriebsklima. Möglichkeiten, dieses für Lehrlinge zu verbessern, gibt es, wie FACC-Geschäftsführer Machtlinger betont: "Wir schenken unseren Lehrlingen im Sommer zwei Wochen mehr Urlaub, damit diese die Zeit mit ihren Freunden, die aufgrund der Schulferien länger freihaben, verbringen können."

Mehr Tempo bei Lehrplananpassung gefordert

Im Zuge der Energiewende sollen bis 2030 rund 200.000 neue Jobs entstehen. Viele davon befinden sich in den Bereichen Labortechnik und Biochemie, Entsorgung und Recycling, Installations- und Gebäudetechnik oder Heizungstechnik. Vor allem bei den technischen Jobs gibt es laut dem ZLÖ-Präsidenten Aufholbedarf. "Die Lehrpläne bei technischen Berufen gehören viel schneller angepasst. Wir hängen da tendenziell immer etliche Jahre hinten nach", sagt Machtlinger zur "Wiener Zeitung". Als Beispiel nennt er die Berufe in der Elektroinstallation, wo gerade ein Wandel in Sachen Technologien stattfindet. "Die Montage einer PV-Anlage sowie die dazugehörenden Netzwerkinstallationen in den Häusern, das braucht eine ganz andere Ausbildung wie noch vor zehn bis 15 Jahren. Da müssen wir schneller werden und da braucht es auch die Politik dafür", sagt Machtlinger.

Generell sei die Lehre jedoch ein Standortfaktor, den es weltweit außerhalb von Mitteleuropa vergleichbar so nicht gebe. Wichtig sei aber, dass man den jungen Fachkräften Einblicke in alle Abteilungen bietet, "denn da profitieren alle davon, wenn der Konstrukteur die Abläufe in der Fertigung kennt und dadurch ein Gespür bekommt, wie die gesamte Wertschöpfungskette funktioniert". International brauche man sich mit diesem Ausbildungsmodell nicht verstecken, wie der FACC-Geschäftsführer regelmäßig auf Dienstreisen feststellt. "Darum werden wir weltweit beneidet und das kann in Asien oder den USA auch nicht so schnell kopiert werden."