Mercedes, BMW, Jaguar, Toyota und KTM. In Österreich werden Autos produziert. Vor allem bei der Firma Magna Steyr in Graz gehen Fahrzeugtypen verschiedener Marken unter einem gemeinsamen Dach vom Band. Österreichweit wird seit Wochen darüber diskutiert, ob Österreich ein Autoland ist und welche Rolle die Automobilindustrie hierzulande spielt. Ausschlaggebend dafür war eine Aussage von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der Österreich bei seiner Rede "zur Zukunft der Nation" Anfang März als Autoland bezeichnete. Dabei forderte der Kanzler auch Technologieoffenheit. E-Fuels - also synthetisch hergestellte Kraftstoffe - sollten künftig in Pkw getankt werden. Damit folgte er dem deutschen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), der beim EU-weiten Vorhaben, ab 2035 keine Autos mit Verbrennermotor neu zuzulassen, eine Ausnahme für E-Fuels hineinverhandelte.
Keine konkreten E-Fuel-Pläne
2021 kam die österreichische Automobilindustrie auf ein Produktionsvolumen im Gegenwert von 17,4 Milliarden Euro. Verantwortlich dafür waren rund 125.000 produzierte Autos. Darunter die Fahrzeugtypen Mercedes G-Klasse, der BMW Z4, die BMW 5er-Reihe, Toyota GR Supra, Jaguar I-PACE und E-PACE sowie die beiden vollelektrischen Arcfox Alpha-T und Alpha-S. Letztgenannten gehören zum BAIC-Konzern, dem fünftgrößten Fahrzeug- und Automobilproduzenten Chinas.
In Österreich setzt bis dato allerdings keine der genannten Marken auf E-Fuels, vielmehr ist es die E-Mobilität, die auch künftig stärker ausgebaut werden soll. Mercedes produziert die G-Klasse ab 2024 parallel zum Verbrenner auch elektrisch, dasselbe gilt für den 5er BMW, wo im Oktober 2023 die i5-Limousine vorgestellt werden soll. Der Jaguar I-PACE fährt bereits mit Strom, ebenso wie die beiden vollelektrischen chinesischen Arcfox.
Eine Milliarde Euro für E-Mobilität
Auch dort, wo in Oberösterreich die Steyr in die Enns mündet, werden dieser Tage die Weichen in Richtung E-Mobilität gestellt. In der Motorenschmiede der BMW Group Steyr soll in den nächsten Jahren insgesamt eine Milliarde Euro investiert werden. Das Ziel ist klar: In sieben Jahren soll die Hälfte aller BMW-Fahrzeuge elektrisch fahren. Bereits heute arbeitet ein Drittel der Belegschaft in der Entwicklung für elektrische Antriebsstränge. Bis 2030 soll dieser Anteil auf über 90 Prozent angehoben werden. Bei einem Medientermin am Werksgelände betonte Nehammer am Dienstag abermals die Bedeutung der Technologieoffenheit in Sachen Mobilität. "Das Wichtigste ist, dass es in diesen Fragen kein Entweder-oder gibt, sondern nur ein Und", sagte der Kanzler. "E-Mobilität ist wichtig, genauso wie die Frage, wie wir Wasserstoff bestmöglich einsetzen können - sei dies als Antriebsgrundlage oder auch als Energiespeicher. Und die Frage der E-Fuels ist eine, die mit der Wasserstoffproduktion ganz eng zusammenhängt."
Zurzeit spielen E-Fuels in Steyr keine Rolle, vorstellbar ist aber, dass sie künftig als Zusatz für bestehende Verbrenner dienen könnten. Denn die synthetischen Kraftstoffe, bei denen Wasser mithilfe eines sogenannten Elektrolyseurs in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt wird und mit Kohlendioxid angereichert wird, sind zwar - wenn sie mit Hilfe von erneuerbaren Energien hergestellt werden - klimaneutral. E-Fuels gelten jedoch als ineffizient. Der Wirkungsgrad ist nicht zuletzt wegen der Energieverluste bei der Umwandlung von elektrischem Strom in Kraftstoff geringer als bei rein batterieelektrischen Fahrzeugen.
Der Bedarf an erneuerbaren Energien ist damit bei E-Fuels deutlich höher, als würde man gänzlich auf E-Autos umsteigen. Einer Studie des deutschen Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) zufolge müsste die weltweite grüne Stromproduktion im Vergleich zum heutigen Stand fast verdoppelt werden. Nur so könne es gelingen, bis zum Jahr 2050 einen Anteil von zehn Prozent an klimaneutralem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und Kraftstoffen einschließlich E-Fuels zu erreichen.
Mobilitätswende als Chance
Experten sehen den Einsatz von E-Fuels daher vor allem dort, wo es keine anderen wirtschaftlichen Alternativen gibt, etwa im Flug- und Schiffsverkehr. Aus Sicht von Holger Heinfellner, Mobilitätsexperte beim Umweltbundesamt, macht es für die heimischen Zulieferbetriebe auch relativ wenig Unterschied, mit welchen Antriebssträngen sich Autos fortbewegen. "Österreich ist geprägt von der Zulieferindustrie, die rasch und flexibel auf technologische Veränderungen reagieren kann und das auch in der Vergangenheit immer wieder getan hat", so der Mobilitätsexperte. Abhängig vom Verbrennungsmotor sei Österreich also nicht.
Die Mobilitätswende könnte für die heimische Wirtschaft jedoch eine Chance sein. So würde laut einer Studie des Umweltbundesamts allein die Umrüstung bestehender Verbrenner zu emissionsfreien Pkw 23.000 neue Arbeitsplätze und eine Wertschöpfung von rund 3,8 Milliarden Euro generieren. Denn ohne zusätzliche Lenkungsmaßnahmen sei auch 2040 noch mit einem Fahrzeugaltbestand zu rechnen, der unter anderem durch Umrüstung auf lokal emissionsfreie Antriebe klimafit gemacht werden könne. "Wenn es gelingt, die Fachausbildung in diesen Bereichen schnell und ambitioniert zu adressieren, kann die österreichische Wirtschaft auf jeden Fall als Gewinner aus dem bevorstehenden Wandel hervorgehen", sagt Heinfellner.