Seit 2011 sind Erträge aus Wertpapieren wie Aktien oder Anleihen mit einer Kapitalertragsteuer (KESt) belegt - egal wie lange diese Papiere gehalten werden. Belief sich der Steuersatz zunächst wie bei Spareinlagen auf 25 Prozent, ist er 2016 auf 27,5 Prozent erhöht worden. Geht es nach dem Programm der türkis-grünen Regierung, soll die sogenannte Wertpapier-KESt nun aber aufgehoben und dafür wieder eine Behaltefrist als Voraussetzung für das steuerfreie Lukrieren von Kursgewinnen eingeführt werden. Doch mittlerweile droht sich das Projekt in einem politischen Hickhack totzulaufen. Ob es noch in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung kommt, ist nicht sicher. Die Rufe danach sind jedenfalls wieder lauter geworden.

So bekräftigt etwa der Chef der Wiener Börse AG, Christoph Boschan, die Forderung nach dem "Entfall der Wertpapier-KESt als Anreiz für langfristige Investments". Ergänzend fügt er hinzu: "Eine Behaltedauer von einem Jahr halten wir dabei für das passendste Modell." Wie Boschan betont, würde der Wohlstand des breiten Mittelstandes vom "Abbau dieser steuerlichen Sanktionierung von Eigenvorsorge" profitieren. Sein Argument: "Privatanleger investieren aus versteuertem Arbeitseinkommen, werden dann als Mitunternehmer mit der Körperschaftsteuer belastet und schließlich ein weiteres Mal mit einer europaweit rekordhohen Kapitalertragsteuer."

Aktienforum: Politik am Zug

Steuerfreiheit nach einem Jahr Behaltedauer - so wie vor 2011 - wünscht sich auch das Aktienforum, die Interessenvertretung börsennotierter Unternehmen in Österreich. Zudem sollte der Steuersatz für Dividenden bei Aktien sowie für Zinszahlungen bei Anleihen von 27,5 auf 25 Prozent gesenkt werden.

Der Geschäftsführer des Aktienforums, Karl Fuchs, gibt unter anderem zu bedenken, dass Österreich "international Schlusslicht" sei, was steuerliche Anreize im Hinblick auf die private Altersvorsorge betreffe. "Weder haben wir Freibeträge noch ein Modell mit einer Behaltefrist", kritisiert Fuchs. "Hier sollte die Politik rasch in die Gänge kommen."

Nachsatz: "Unsere letzten Erhebungen zeigen, dass Wertpapiere ganz grundsätzlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind", so Fuchs. "Das sieht man auch in der politischen Verortung. Die Wählerschaften von Grün und Neos sind signifikant stärker an der Börse vertreten, aber auch unter den SPÖ-Wählern ist jeder vierte investiert."

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Laut einer erst unlängst durchgeführten Umfrage des Wiener Hayek-Instituts besitzen inzwischen hochgerechnet 1,9 Millionen Österreicherinnen und Österreicher - das ist rund ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung - Wertpapiere. Was die von der Wiener Börse und dem Aktienforum in Auftrag gegebene Umfrage ebenfalls zutage gefördert hat: Es könnten noch weit mehr werden. Hochgerechnet wären hierzulande zusätzlich 1,1 Millionen Menschen (20 Prozent) bereit, in Wertpapiere zu investieren.

Geld für grüne Transformation

"Das ist ein riesiges Potenzial", sagt der Chef des Interessenverbandes für Anleger (IVA), Florian Beckermann. Er plädiert ebenfalls dafür, dass der Staat Privatanlegern mit steuerlichen Erleichterungen Anreize geben sollte, um so das Aktiensparen und generell die Vorsorge in Österreich zu stärken und zu fördern. Zumal dem Staat damit auch finanziell unter die Arme gegriffen würde, die grüne Transformation der heimischen Wirtschaft zu unterstützen. Der Wiener Anlegerschützer spricht dabei von einer "national-ökologischen Lösung".

Um das im Regierungsprogramm vereinbarte Vorhaben einer neu geregelten Besteuerung von Wertpapieren durch Einführung einer Behaltefrist ist es zuletzt freilich recht still geworden. Der Wunsch, diesen Punkt des Koalitionsabkommens in der laufenden Gesetzgebungsperiode umzusetzen, geht auf die Volkspartei zurück. Anfang 2022 - kurz nach seinem Antritt als Finanzminister - hat Magnus Brunner (ÖVP) das Projekt in Fahrt gebracht. "Damit bekam es ein Momentum", erzählt IVA-Chef Beckermann. Inzwischen gibt es Vorschläge, doch die Grünen zieren sich, ihnen zuzustimmen. Dem Vernehmen nach soll das Thema rund um die Wertpapier-KESt für den Koalitionspartner der ÖVP überhaupt vom Tisch sein.

Ideologische Querschüsse

Jüngste Aussagen von Finanzsprecherin Nina Tomaselli suggerieren jedenfalls, dass die Grünen offenbar deshalb blockieren, weil sie sich nicht auf eine "Reichendebatte" einlassen wollen. Sie sind anscheinend ähnlich kritisch eingestellt wie die SPÖ, die Gewerkschaft und die Arbeiterkammer (AK), die mit Blick auf die Pläne der Volkspartei klar gegen jegliche Steuerbefreiungen bei Wertpapieren sind und bereits im Vorjahr von einem "Geschenk für Reiche" sprachen.

Finanzministerium drängt

Das Finanzministerium drängt unterdessen "weiter auf Fortschritte bei der Einführung einer Behaltefrist", wie es dort heißt. "Eine Behaltefrist bietet eine attraktive Möglichkeit, finanziell vorzusorgen, und stärkt gleichzeitig den österreichischen Kapitalmarkt", erklärt Stefan Trittner, Sprecher des Ministeriums. Konkret schwebt Brunners Ressort ein "Vorsorgedepot" vor, bei dem dann nach einer noch festzulegenden Behaltefrist die Steuerpflicht wegfällt. Verfassungshürden, die ein von der AK in Auftrag gegebenes Uni-Gutachten ortet (die Wertpapier-KESt ist im Verfassungsrang), werden dabei offenbar nicht gesehen. Das Konzept eines Vorsorgedepots ist laut Finanzministerium mit einfacher gesetzlicher Mehrheit umzusetzen.

"Steuerpflichtige können dieses Depot bei ihrer Bank eröffnen, in das Depot jährlich einen maximalen Betrag einzahlen und in bestimmte Wertpapiere wie Fonds, Anleihen oder Aktien investieren", so Trittner. "Das ,Persönliche Vorsorgedepot‘ hat eine verpflichtende Mindestlaufzeit mit Verlängerungsmöglichkeit. Nach Ablauf dieser Mindestlaufzeit beziehungsweise der verlängerten Laufzeit ist die Wertsteigerung des Kapitalvermögens - sofern eine erzielt wird - steuerbefreit." Damit wäre Spekulation steuerlich künftig schlechtergestellt als ein mehrjähriges Investieren.