Die Raiffeisen Bank International (RBI) treibt laut Insidern Pläne für eine Abspaltung ihres umstrittenen Russland-Geschäfts an ihre Aktionäre voran. Ein Spin-off der Russland-Tochter vom restlichen Geschäft sei gegenüber einem Verkauf die wahrscheinlichere der beiden Ausstiegsoptionen, sagten drei mit der Situation vertraute Personen. Versuche, einen Käufer zu finden, waren bisher erfolglos.
Einem der Insider zufolge zielt eine Abspaltung darauf ab, sich nach der russischen Invasion in der Ukraine von Russland zu distanzieren und weiteren Reputationsschaden zu vermeiden. Die RBI steht wegen ihres Russland-Geschäfts, das milliardenschwere Gewinne einfährt und der größte Ertragsbringer der Wiener Großbank ist, unter hohem Druck von Investoren, EZB-Bankenaufsicht und US-Sanktionswächtern.
Unicredit auch noch dort
Rückendeckung erhielt die RBI zu Wochenbeginn erneut von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). Bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen in Brüssel sagte er zu den Teilnehmern, die sich versammelt hatten, um neue Russland-Sanktionen zu erörtern, dass Raiffeisen in dieser Frage nicht herausgegriffen werden sollte. Die Bank unterscheide sich nicht von den meisten westlichen Unternehmen, die auch weiterhin dort tätig seien, so der Minister. Schon früher hatte sich Schallenberg ähnlich geäußert. Nach wie vor in Russland aktiv ist etwa auch die italienische Bank-Austria-Mutter Unicredit.
Fest steht: Eine Abspaltung ist - so wie ein Verkauf - kein leichtes Unterfangen. "Es ist kein Spaziergang, es gilt viele Hürden zu überwinden", sagte Bankchef Johann Strobl vor wenigen Wochen. Neben zahlreichen notwendigen Genehmigungen könnten der RBI auch hohe Kosten einen Strich durch die Rechnung machen.
Die RBI ist seit 30 Jahren in Russland aktiv und gilt dort heute als wichtigste westliche Bank. Die russische Tochter spielt eine bedeutende Rolle im internationalen Zahlungsverkehr für das Land, seit viele russische Banken infolge der Sanktionen aus dem internationalen Finanzsystem Swift ausgeschlossen sind. Dividenden von Moskau nach Wien fließen derzeit jedoch keine.
"Der Spin-off hat den Vorteil, dass man dem Wunsch des Kapitalmarktes und der Sanktionsinstitutionen nachkommt, sich aus dem Markt zurückzuziehen, ohne einen Käufer finden zu müssen", erklärte ein Insider. Doch dafür brauche es die Genehmigung der Europäischen Zentralbank (EZB) und der russischen Behörden. Zudem drohe eine Ausstiegssteuer, die das Unterfangen teuer machen könnte. Ein weiterer Insider sagte, nach einer Abspaltung könnten die Raiffeisenlandesbanken ihre Anteile an der Gesellschaft verkaufen.
Verkauf nur mit Putins Okay
Ein direkter Verkauf bedürfe hingegen der Zustimmung von Präsident Wladimir Putin und wäre mit hohen Auflagen und Einbußen beim Verkaufspreis verbunden. Ein dritter Insider sagte, die Abspaltung sei wahrscheinlicher, weil jeder potenzielle Käufer durch die westlichen Sanktionen abgeschreckt worden sei. Ein Investmentbanker räumte ein, eine Abspaltung wäre auch die einfachste Lösung und würde der Bank Zeit verschaffen.
Die RBI erklärte nach Kriegsausbruch, sie prüfe alle Optionen für ihre Russland-Tochter. Ende März sagte Vorstandschef Strobl dann, man konzentriere sich nun auf einen Verkauf oder eine Abspaltung. Aktionäre zweifeln aber an der Umsetzung. "Beide Optionen sind kaum realistisch", meinte Florian Beckermann, Chef des Interessenverbandes für Anleger (IVA). Die RBI werde wohl in Russland bleiben und in Absprache mit der EZB das Geschäft weiter reduzieren. Die EZB lehnte eine Stellungnahme ab.
Die Pläne der Bank bei einem "Spin-off" sehen vor, dass die Russland-Tochter in eine eigene Gesellschaft eingebracht wird und in Wien oder an einer anderen europäischen Börse gelistet wird. Jeder RBI-Aktionär - knapp 60 Prozent des Kapitals sind im Eigentum der Raiffeisenlandesbanken - würde dann einen entsprechenden Anteil an der neuen Einheit besitzen. Ein Kapitalmarktexperte sagte: "Das wird ein Zockerpapier, eine Wette auf den Kriegsausgang."(reuters)