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Ruhe am Pleitenhorizont

Von Kid Möchel

Wirtschaft
KSV1870-Experte Hans-Georg Kantner will alle Pleitefirmen durchleuchten.
© Petra Spiola

KSV1870 fordert Überprüfung auch der abgewiesenen Insolvenzverfahren. | Höhere Zinsen für Kredite könnten Pleiten aber erhöhen.


Wien. Das neue Insolvenzrecht IRÄG 2010 hat eine Schwachstelle. Trotz hoher Erwartungen sind jene Insolvenzverfahren, die mangels Vermögens nicht eröffnet werden können, nur leicht zurückgegangen.

"Hier hat sich nichts geändert. Viele dieser überschuldeten Unternehmen werden nicht liquidiert, sondern arbeiten irgendwie weiter", sagt Hans-Georg Kantner vom KSV1870. "Rund drei Viertel der Fälle betreffen Einzelunternehmen." Insgesamt machen die abgewiesenen Insolvenzen 45 Prozent aller Pleiten aus.

Wichtige Hygiene
Zwecks besserer Hygiene fordert der KSV1870 vom Gesetzgeber, dass auch über alle vermögenslosen Bankrott-Firmen Insolvenzverfahren eröffnet werden, "um Klarheit zu schaffen, was tatsächlich passiert ist".

"Das wird etwas kosten", sagt Kantner, der sich vorstellen kann, dass Großgläubiger wie Krankenkassen, Finanzämter und Banken die Verfahrenseröffnungskosten tragen. Pro Fall geht es dabei um bis zu 4000 Euro. Im ersten Halbjahr 2011 wären somit 5,4 Millionen Euro für die Aufarbeitung dieser Pleiten nötig gewesen.

Insgesamt sind die Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2011 um 5,4 Prozent auf 3024 Fälle gesunken, die Zahl der Privatkonkurse ist um acht Prozent auf 4970 Personen gestiegen.

"Unsere Prognose, dass die Insolvenzen gegenüber dem Vorjahr noch steigen werden, lässt sich nicht halten", gibt Kantner zu. "Sobald aber die Zinsen steigen, wird sich der derzeit ruhig anmutende Insolvenzverlauf wieder etwas verschärfen." Erfreulich ist hingegen, dass die Gesamtschulden der Pleitefirmen um 31 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro gesunken sind. Mit 517 Pleiten liegt die Bauwirtschaft knapp vor den Dienstleistern (501) und der Gastronomie (469).

Die Bundesländer
In Wien sind die Insolvenzen um ein Prozent auf 990 Fälle geklettert; Rang zwei nimmt Niederösterreich (458 Fälle) ein, gefolgt von der Steiermark (417 Fälle) und von Oberösterreich (400). "Wir haben drei Halbjahre hintereinander einen Rückgang, der aktuelle ist mit minus 3,2 Prozent relativ bescheiden ausgefallen", sagt Otto Zotter vom KSV1870 in Linz. "Das Potenzial für Rückgänge ist ausgeschöpft." In Oberösterreich sind aber die Pleiten am Bau gestiegen: plus zehn Prozent. Zotter führt das auf die Sparsamkeit der öffentlichen Hand zurück.

In Salzburg sind die Firmeninsolvenzen um 24 Prozent auf 162 Fälle gesunken. "Es gibt dabei sehr viele Kleininsolvenzen", sagt Erich Grausgruber vom KSV1870 in Salzburg. "Dieses Niveau werden wir halten." Am Bau gibt es keine Probleme. Grausgruber: "Bis Mitte 2012 sind die Auftragsbücher voll."

Die Steiermark verzeichnet nur eine Pleite mehr als im Vorjahr. "Es wird auf diesem Niveau bleiben, es trifft aber mehr kleinere Firmen", sagt René Jonke vom KSV1870 in Graz. Die Verschuldung hat sich um fast 63 Prozent auf 127 Millionen Euro reduziert.

In Kärnten sind die Insolvenzen um 6,5 Prozent zurückgegangen, aber dafür traf es im ersten Halbjahr wieder größere Firmen, bestätigt Barbara Wiesler-Hofer vom KSV1870 in Klagenfurt. Klammert man die Megapleite AvW (291 Millionen Euro Schulden) im Vorjahr aus, dann sind die Insolvenzschulden mit 116 Millionen Euro aber stark gestiegen.

In Tirol ist der Wirtschaftsmotor nach der Krise schnell angesprungen. Nur 211 Firmen schlitterten heuer bisher in die Insolvenz: minus 2,8 Prozent. "Die Entwicklung ist unerwartet, aber sehr erfreulich", sagt Walter Hintringer vom KSV1870 in Innsbruck.

Vorarlberg zählt sogar 45,2 Prozent weniger Firmenpleiten. "Die Konjunkturlage ist in allen Branchen sehr gut", sagt Sabine Welte vom KSV1870 in Feldkirch. "Wir rechnen auch im zweiten Halbjahr mit einer weiteren Reduktion."