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Schienenkartell: Wackelt der Kronzeugenstatus der Voest?

Von Karl Leban

Wirtschaft

Anonyme Anzeige | soll Behörden auf den Plan gerufen haben. | Linzer Konzern rechnet weiter mit Bußgeldbefreiung.


Linz. Mit illegalen Preisabsprachen beim Verkauf von Eisenbahnschienen soll ein Kartell in Deutschland hohe Millionenschäden angerichtet haben. Mitte Mai haben die deutschen Wettbewerbshüter deshalb bei Razzien die Geschäftsräume mehrerer Stahlfirmen durchsucht. Die behördlichen Ermittlungen richten sich gegen zehn Unternehmen. Das Brisante dabei: Auch zwei deutsche Schienen-Töchter der Voestalpine sind darunter.

Der österreichische Stahlkonzern nimmt für sich allerdings in Anspruch, den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht zu haben. Wegen ihrer Anzeige des Schienenkartells hoffen die Linzer als „Kronzeugen”, keine Geldstrafe aufgebrummt zu bekommen (was bei derartigen Fällen europaweit üblich ist).

Ein Bericht des „Handelsblatts” stellt diese Kronzeugen-Rolle nun in Frage. Unter Berufung auf informierte Kreise schreibt die deutsche Tageszeitung, dass die Ermittlungen nicht von der Voestalpine, sondern durch eine anonyme Anzeige ausgelöst worden seien. Außerdem hätten die Preisabsprachen nicht nur Schienen, sondern auch Weichen umfasst.

Erhärtet sich dieser Verdacht, hat die Voest die Behörden nicht in vollem Umfang über das Kartell informiert. Um als Kronzeuge zu gelten, müssen Firmen umfassend mit den Ermittlern kooperieren. Sonst fällt der Status.

„Alles auf Tisch gelegt”

In der Linzer Voest-Zentrale hat der Zeitungsbericht für Kopfschütteln gesorgt. „Wir haben die Anzeige als Erste eingebracht, und wir haben dabei alles auf den Tisch gelegt”, betont Pressesprecher Gerhard Kürner. „Aus unserer Sicht hat sich an unserem Status als Kronzeuge nichts geändert.”

Nach eigenen Angaben ist die Voestalpine bereits seit Monaten laufend in Kontakt mit dem deutschen Bundeskartellamt und der Staatsanwaltschaft Bochum. Wie Kürner im Gespräch mit der „Wiener Zeitung” erläutert, sei man bei den zwei deutschen Töchtern im Zuge einer Compliance-Prüfung, bei der gecheckt wird, ob alle Spielregeln im Konzern eingehalten werden, auf Ungereimtheiten gestoßen. Den Verdacht der Preisabsprache habe man den Behörden unverzüglich gemeldet.

Die „Schienenfreunde”

Unter dem Namen „Schienenfreunde” soll das Kartell ab mindestens 1998 Preise und Mengen auf dem deutschen Schienenmarkt abgesprochen haben. Als Hauptgeschädigter wird die Deutsche Bahn kolportiert, die alleine 2006 bis zu 100 Millionen Euro zu viel gezahlt haben soll. Der Staatskonzern prüft bereits Schadenersatzforderungen. In Summe könnte der Schaden im hohen dreistelligen Millionen-Bereich liegen.

Teil des Kartells sollen neben der Voest auch ThyssenKrupp-Firmen, die bayrische Neue Maxhütte, die schwedische Inexa, die niederländisch-britische Corus-Gruppe sowie die tschechische CMC Trinec und das polnische Schienenwerk Huta Katowice gewesen sein. Aufgelöst haben soll sich das Kartell 2008, als das weltgrößte Stahl-Unternehmen ArcelorMittal Huta Katowice kaufte und die Preise um rund 35 Prozent unterbot.