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Krankheit kann arbeitslos machen -und Langzeitarbeitslosigkeit krank

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

"Unser Hauptfocus ist es, Menschen in die Beschäftigung zurückzuführen", sagt Barbara Reiterer, Projektkoordinatorin von "ida." (Integration durch Arbeit). "ida." kümmert sich um Langzeitarbeitslose: Viele gelten nach Bestimmung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes als "arbeitsfähig", obwohl sie an Depressionen oder Stoffwechselerkrankungen leiden. An-dere, die an ida.-Projekten teilnehmen, sind obdachlos oder drogenabhängig. ida. will auch auf das Wechselspiel von Krankheit und Arbeitslosigkeit aufmerksam machen.


"Wir hoffen, dass in den verschiedenen arbeitsmarktpolitischen Angeboten dem Gesundheitsaspekt ein stärkeres Augenmerk geschenkt wird. Denn ich denke, es hat keinen Sinn, einer fettleibigen Frau den dritten EDV-Kurs anzubieten, wenn sie keine Perspektive hat, ihr Gesundheitsproblem in den Griff zu bekommen", sagt Reiterer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Arbeitslosigkeit und Gesundheit sind eng miteinander verbunden. Viele Menschen verlieren aufgrund von Krankheit ihren Arbeitsplatz - und ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich meist, weil sie arbeitslos sind. Arbeitslose Frauen sind durchschnittlich 23,8 Tage im Jahr krank, arbeitslose Männer 21,5 Tage. Erwerbstätige hingegen kommen auf 8,7 Tage. Diese Zahlen präsentierte kürzlich Gudrun Biffl, Arbeitsmarktexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), im Rahmen einer Tagung der Caritas zum Thema "Krankheit macht arbeitslos. Arbeitslosigkeit macht krank" in Graz. Die Daten basieren auf Haushaltsbefragungen des Statistischen Zentralamtes.

Unterschiedliche Probleme . . .

"Wir müssen sehr niederschwellig anfangen, um eine Vertrauensbasis aufzubauen. Die Menschen, mit denen wir arbeiten, haben keinen Hausarzt, manche sind nicht einmal versichert." "ida." versucht, ein soziales Netzwerk aufzubauen und verweist auf Ärzte, die Verständnis zeigen. Denn viele wollen nicht mehr einen Arzt aufsuchen aus Angst vor der Frage, ob denn schon ein neuer Job gefunden worden sei.

Die Probleme seien breit gestreut, gibt Reiterer an. Ihre Einrichtung arbeitet grob unterteilt mit folgenden Gruppen: Menschen, die sehr weit vom Arbeitsmarkt entfernt sind, wie zum Beispiel Obdachlose und Süchtige. Andere sind existenziell zwar abgesichert, haben aber aufgrund von Krankheit Schwierigkeiten, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Am häufigsten leidet diesen Menschen an Depressionen. Ein Bereich umfasst Diskriminierung wie etwa bei Angehörigen der Volksgruppe der Roma. Aber auch Übergewicht kann ein Problem sein. Besonders Frauen sind laut Reiterer von Arbeitslosigkeit aufgrund von Übergewicht betroffen. "Ich bekomme keinen Job, weil ich zu dick bin. Wenn ich mich vorstellen gehe, werde ich komisch angeschaut. Niemand traut mir zu, dass ich trotz meines Übergewichts noch arbeiten kann", erzählte eine an Adipositas erkrankte Frau bei der Tagung.

. . . unterschiedliche Projekte

In fünf Bundesländern Österreichs werden insgesamt 15 "ida."-Projekte durchgeführt. Zehn Organisationen und 16 strategische Partner arbeiten hier zusammen. Es werden unterschiedliche Aktivitäten angeboten. In den Projekten soll Gesundheit gefördert werden, jedoch nicht mit dem erhobenen Zeigefinger nach dem Motto "Rauch' nicht und iss' weniger", sondern auf indirektem Wege: So gibt es etwa eine Kochgruppe, in der gesunde Ernährung vermittelt wird. "Die Teilnehmer gewinnen auch an Selbstvertrauen, wenn sie für andere etwas zubereiten." In einer Kreativwerkstätte in Wien kann u.a. mit Stahl, Ton und Holz gearbeitet werden. Bei kreativen Tätigkeiten lernen nicht nur Süchtige, Körper und Geist wieder wahr zu nehmen. Ein Projekt in Innsbruck widmet sich speziell Süchtigen: "Die Menschen können hier stundenweise arbeiten. Wenn einer kommt und gut drauf ist, arbeitet er zwei, drei Stunden. Manche bringen auch eine gewisse Stabilität auf und kommen, wenn auch nicht immer, zum Beispiel von 9 bis 12 Uhr", erzählt Reiterer.

In Oberwart führen im Rahmen eines weiteren Projektes Roma Waldarbeiten durch. "Die soziale Diskriminierung der Roma ist schlimm", berichtet Reiterer. Viele Roma seien stark übergewichtig, die Jungen häufig suchtkrank.

Ob Fettleibigkeit, süchtig oder depressiv - gemeinsam ist den aus unterschiedlichen Gründen arbeitslosen Menschen, dass sie in den Projekten die Möglichkeit haben, sich mit ihrer Gesundheit und ihrem Körper auseinander zu setzen.

http://www.ida-equal.at

Stichwort "ida." und EQUAL

"ida." (Integration durch Arbeit) ist eine Entwicklungspartnerschaft im Rahmen des EU-Programms EQUAL. Die Initiative EQUAL soll "Neue Wege der Bekämpfung von Diskriminierung im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt" bringen. In Österreich haben sich soziale Initiativen, Kammern, Arbeitsmarktservice, Bund, Länder und Gemeinden zu rund 60 Partnerschaften zusammengeschlossen. Aufgabe der Partnerschaft ida. ist es, arbeitslose Menschen auf dem Weg zurück ins Arbeitsleben zu unterstützen und den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.