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Wenn "Schema F" nicht mehr hilft

Von Stefan Melichar

Wirtschaft
Risikomanagement soll Firmen helfen, Krisen zu meistern oder von vornherein zu vermeiden. Der falsche Ansatz kann jedoch neue Gefahren entstehen lassen.
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Arithmetica-Chef Krischanitz: Oft sind tatsächliche Risiken nicht erfasst. | "Firmen müssen herausfinden, wovor sie sich wirklich fürchten."


Wien. Gut gemeint ist manchmal das Gegenteil von gut. Viele Unternehmen geben sich Mühe, ein taugliches Risikomanagement aufzubauen. Gibt man sich dabei jedoch - aus Bequemlichkeit oder Unwissen - mit Scheinlösungen zufrieden, können unter Umständen genau daraus neue Gefahren entstehen.

"Oft werden nicht die tatsächlichen Risiken erfasst, sondern Feigenblatt-Risiken", so Christoph Krischanitz, Chef des auf Finanz- und Versicherungsmathematik spezialisierten Beratungsunternehmens Arithmetica, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Firmen würden beim Risikomanagement auf Standardlösungen zurückgreifen, die mitunter gar nicht auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichtet wären, so Krischanitz. Damit laufen sie Gefahr, sich auf Bedrohungen vorzubereiten, die weniger bedeutsam sind als angenommen.

Dies verstelle gleichzeitig den Blick auf die tatsächlichen Gefahren, meint der Experte, der selbst Beratung in diesem Bereich anbietet. "Risikomanagement von der Stange erzeugt Risiko", ist sich der Arithmetica-Chef sicher.

Zu wenig Voraussicht

Die erste Zielsetzung müsse sein, die wirklichen Risiken genau zu benennen, meint Krischanitz. Im Gespräch mit seinen Kunden versuche er immer herauszufinden, wovor sich das jeweilige Unternehmen "wirklich fürchtet". Mitunter würden hier auch unterschiedliche Ansichten von Management beziehungsweise Eigentümern auftauchen.

"Anhand der gängigen Insolvenzursachen zeigt sich, dass sich viele Unternehmen im Erkennen von Situationen schwer tun", meint Krischanitz. Viele Firmen würden einfach nur "nach Schema F" vorgehen - auch wenn sich dadurch Probleme noch verstärken. Der Arithmetica-Chef glaubt einerseits, dass diese Unternehmen eine schlechte Sicht auf das bei ihnen vorhandene Datenmaterial hätten beziehungsweise dieses schlecht aufbereiten würden. Andererseits würde in vielen Betrieben die nötige Voraussicht fehlen. "Es gibt kaum ein Unternehmen, mit dem ich spreche, das länger als ein Jahr in die Zukunft denkt", so Krischanitz. Damit würden auch ein langfristiges Risikobewusstsein und längerfristige Risikoindikatoren fehlen.

Krischanitz ortet als besonders häufigen Fehler, dass Eigentümer oder Vorstände das Risikomanagement ohne klare Vorgaben innerhalb des Unternehmens delegieren.

"Zwei intensive Jahre"

So würden Risikoberichte erstellt, ohne zu wissen, welche Informationen die Firmenleiten tatsächlich als Entscheidungsgrundlage benötigt. Die mit dieser Aufgabe betrauten Personen wären zudem oft nicht ausreichend qualifiziert, meint der Experte. Neben aller fachlichen Kompetenz müssten Risikomanager aber auch über eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit verfügen, um die nötige Überzeugungsarbeit innerhalb des Unternehmens zu leisten.

Um für eine größere Firma ein vernünftiges Risikomanagement aufzusetzen, veranschlagt Krischanitz "zwei intensive Jahre". Bei kleineren Unternehmen würde es drei bis sechs Monate dauern, bis ein erster Risikobericht fertiggestellt ist. Dann müsse man jedoch sehen, ob die Entscheidungsträger die richtigen Schlüsse daraus ableiten können. Insgesamt sei mit "einem mehrjährigen Zyklus" zu planen. Schwierigkeiten gebe es besonders dann, wenn sich bereits geleistete Vorarbeiten als hinderlich entpuppen. Als Paradebeispiel nennt Krischanitz die Anschaffung einer teuren - aber letztlich oft nur mäßig geeigneten - Computer-Software. Krischanitz ist überzeugt, dass sich - auch dank besserer Kalkulationsmöglichkeiten im Alltagsgeschäft - die Kosten für das Risikomanagement bereits nach zwei bis drei Jahren egalisieren würden.