Zum Hauptinhalt springen

Ein Grieche mischt die Karten neu

Von Peter Muzik

Wirtschaft
Im Wettstreit um das Kundenkarten-Geschäft ist Austria Card in Österreich obenauf.

Bei Austria Card wackeln derzeit hunderte Arbeitsplätze.


Für Nikolaos P. Lykos ist Österreich zur Wahlheimat geworden. Als einer von 5000 Griechen, die in der rot-weiß-roten Republik leben, hat er es wesentlich weiter gebracht als seine Landsleute, die sich etwa als Tavernen- oder Restaurantbesitzer verdingen. Der 55-jährige Hellene ist via eine seiner zahlreichen Konzernfirmen stolzer 100-Prozent-Eigentümer und alleiniger Boss der einstigen Nationalbank-Tochter Austria Card GmbH. Derzeit steckt sein Kartenhaus jedoch in einer stürmischen Phase - und er hüllt sich in Schweigen.

Das auf Herstellung und Vertrieb von Kredit-, Plastik-, Chip- und ID-Karten spezialisierte Unternehmen ging in zwei Tranchen in griechischen Besitz über: Mit 1. Jänner 2008, als noch niemand wusste, wie schlecht es um Griechenland bestellt war, übernahm die Inform-Lykos-Gruppe zur allgemeinen Überraschung 85 Prozent der Firmenanteile. Statt des damals ventilierten Kaufpreises von 56 Millionen Euro zahlte Lykos als Höchstbieter letztlich nur 30 Millionen an die Notenbank - warum, ist bis heute unklar.

100 Prozent von Notenbank

Im Juni erwarb der Grieche schließlich die restlichen 15 Prozent, was der OeNB 9,6 Millionen Euro bescherte. Lykos, der einer traditionsreichen Unternehmerdynastie entstammt, schaffte damit einen merkwürdigen Doppel-Deal, um den er vielfach beneidet wurde. Schon in der ersten Bieterschlacht, die Mitte 2007 begann, setzte er sich gegen weitaus renommiertere Rivalen durch - darunter Siemens Österreich und die Österreichische Staatsdruckerei, aber auch internationale Kartenhersteller wie die holländische Gemalto, die Schweizer Kudelski-Gruppe und der französische Riese Oberthur Technologies. Obwohl einige Mitbewerber mit schlüssigeren Strategien aufgewartet und zum Teil sogar Job- bzw. Standortgarantien abgegeben hatten, blieben die Griechen in dem von der Raiffeisen Investmentbank abgewickelten Verkaufsprozess Sieger.

Der Coup der ziemlich unbekannten Lykos-Gruppe, die immerhin schon 114 Jahre existiert, war in Österreich jedenfalls Brancheninsidern suspekt. Auch der endgültige Rückzug der Nationalbank aus der Austria Card wurde mit Unverständnis quittiert - was wohl nicht nur an wachsender Skepsis gegenüber Griechenland liegt. In der Tat rührte der neue CEO bei Austria Card kräftig um: Er stieß etwa die seit 2005 bestehende 50-Prozent-Beteiligung an der deutschen Firma GNC wieder ab und verkaufte auch den skandinavischen Karten-Serviceanbieter ACSV, an dem Austria Card mit 30 Prozent beteiligt war. Die seinerzeitigen Ängste, vor allem von Gewerkschaftern, dass der griechische Spezialdrucker primär den Markt kaufen und in weiterer Folge Personal abbauen sowie die Produktion in den Osten auslagern wolle, sind jedenfalls aktueller als jemals zuvor.

75 Millionen Karten pro Jahr

Das privatisierte Unternehmen, das in der Polit-Ära Gusenbauer/Molterer zum Verkauf freigegeben wurde, beschäftigt mittlerweile statt früher 350 nur noch knapp 300 Mitarbeiter. Vor kurzem trennte sich Lykos vom bisherigen Managing Director Friedrich Ramberger. Die Firma produziert hierzulande immerhin rund 75 Millionen Karten pro Jahr, wovon fast zwei Drittel exportiert werden. Sie unterhält Tochtergesellschaften in der Türkei und Polen und ist überdies in Aserbaidschan, Kroatien, Serbien und Deutschland vor Ort präsent.

Austria Card beliefert nicht nur langjährige Stammkunden in Österreich, darunter Visa, Diners und MasterCard, Arbeiterkammer, ÖBB oder dm sowie ihre beiden Hausbanken Erste und Bank Austria, sondern etwa auch eine Reihe großer Kreditinstitute im CEE-Raum. Selbst aus Bolivien und Äthiopien waren interessante Aufträge zu holen. Die Firma, die recht gut unterwegs ist, hält die weitaus kleineren Mitbewerber - wie Variuscard, Inplastor oder Proficard - sicher in Schach. Die Firma Cards & Systems die sich ebenfalls mit Kundenkarten befasst, kooperiert mit Austria Card. Die dominante Position der Griechen am österreichischen Markt, wo laut einer Marketagent-Studie jeder dritte Bürger über eine bis fünf Kundenkarten verfügt und ein weiteres Drittel der Konsumenten sechs bis zehn solcher Cards besitzt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich aufgrund von Überkapazitäten um eine höchst kompetitive Branche handelt.

Nur rumänische Produktion?

Deshalb liegt es auf der Hand, dass die Griechen die Kartenproduktion in ein Niedriglohnland verlagern werden - nämlich nach Rumänien. Dort hat sich die Inform Lykos S.A. seit 2001 mit Volldampf engagiert, mehrere Gesellschaften gegründet, doch die Produktionsstätten sind nicht ausgelastet. Die Herstellung der Karten würde in Rumänien nicht einmal 30 Prozent so viel kosten wie in Österreich. Die ersten Maschinen sollen trotz massivem Widerstand des kämpferischen Betriebsrats schon abtransportiert werden. Gerüchteweise ist auch Polen für die Auslagerung eines weiteren Geschäftszweiges im Gespräch. Edgar Wolf, der für die Branche zuständige Gewerkschaftssekretär: "Austria Card ist immerhin ein Hochsicherheitsbetrieb, der europaweit zur Spitze zählt - aber jetzt sind hunderte Arbeitsplätze in Gefahr."

Auf Costcutting setzen muss Nikolaos P. Lykos, der sich dem Vernehmen nach in Wien wohlfühlt und die Firmenzentrale in Österreich erhalten möchte, allemal: Die jüngsten Zahlen seines Konzerns, dessen Aktienkurs zuletzt massiv abgestürzt ist, sehen nämlich alles andere als berauschend aus. Im ersten Halbjahr 2011 konnte die Gruppe zwar den Umsatz um 4,3 Prozent auf 52 Millionen Euro steigern. Die Geschäfte in Griechenland gingen aber deutlich zurück, in Österreich und Rumänien lief es indes besser.

Bei Austria Card stiegen die Erlöse um 14 Prozent auf 28,6 Millionen Euro. Der Gewinn des Lykos-Konzerns vor Steuern schrumpfte um 26 Prozent auf 1,5 Millionen, und als Profit nach Steuern blieben lediglich 800.000 Euro über, 12 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs. Der Cash Flow war mit 1,7 Millionen Euro negativ. Eine gute Nachricht gibt es jedoch: Die Bankschulden verringerten sich auf rund 40 Millionen Euro.