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Bau im Visier der Lohn-Kontrollore

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Arbeitskräfte wurden bis zu 77 Prozent unter dem Kollektivvertrag entlohnt.


Wien. In den sechs Monaten nach der Arbeitsmarktöffnung für acht osteuropäische EU-Länder tauchte bei 263 Firmen mit 1042 Arbeitnehmern der Verdacht auf Unterentlohnung auf, zog Sozialminister Rudolf Hundstorfer am Montag Bilanz. Davon waren 196 ausländische Unternehmen mit 864 Arbeitnehmern. Fündig wurden die Kontrollore vor allem am Bau: Bei 181 Unternehmen, also bei rund acht Prozent der Kontrollen, entstand der Verdacht auf Lohndumping.

Bisher wurden in 46 Anzeigen wegen Unterentlohnung Strafen in Höhe von 2,2 Millionen Euro beantragt, weil die Firmen nicht den im österreichischen Kollektivvertrag (KV) vereinbarten Grundlohn zahlten, wie es das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping vorschreibt.

In einem Fall entlohnte ein polnisches Unternehmen, das von einem österreichischen Betrieb beauftragt wurde, fünf Isolierer 77 Prozent unter dem KV - mit 2,78 Euro Brutto-Stundenlohn statt mit bis zu zwölf Euro. In einem anderen Fall wurden 400.000 Euro Strafe beantragt, weil eine portugiesische Firma 41 Eisenflechtern und -biegern zu wenig bezahlte.

Kontrolliert wird von den Gebietskrankenkassen, der Finanzpolizei und am Bau von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK). Oft informieren auch Konkurrenten oder Arbeitnehmer die Behörden .

175 weitere Anzeigen wurden eingebracht, weil Lohnunterlagen nicht bereitgehalten wurden oder die Einsichtnahme verweigert wurde. Damit die Methode "Geld auf die Hand" Geschichte ist, muss der Lohn seit Juli bargeldlos ausgezahlt werden. Strafen von 1000 Euro pro Arbeitnehmer, und bis zu 50.000 Euro im Wiederholungsfall sollen abschrecken. Bisher wurden jedoch keine Strafen verhängt, weil die Verwaltungsstrafverfahren noch laufen.

Betrüger-Firmen am Bau

"80 Prozent der Anzeigen betreffen Bauunternehmen", sagte Josef Muchitsch, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz und BUAK-Vorstandsmitglied. "In der Branche sind die Mitarbeiter nicht in einer Fabrik beschäftigt, sondern mitunter sehr versteckt auf Dachgeschoß-Ausbauten und in Hinterhöfen." Das Schema sei häufig dasselbe: Österreichische Auftraggeber beschäftigten ausländische Firmen als Subunternehmer.

Auf den Baustellen sind schwarze Schafe unterwegs: Bei den seit Mai neu gegründeten ausländischen Baufirmen tauchte bei einem Drittel der Verdacht auf Unterentlohnung auf, sagt Muchitsch. Teilweise agieren Betrüger-Firmen, die Pleite gehen und nach kurzer Zeit unter einem neuen Namen auftreten. Von der Gewerkschaft Bau-Holz heißt es, es gebe nach wie vor Betrüger-Firmen. Das Problem, dass Unternehmen verschwinden und neu gegründet werden, sei durch die Kontrollen aber stark eingedämmt worden. Erstmals gebe es ein strafrechtliches Mittel, um in solchen Fällen vorzugehen. "Die österreichischen Auftraggeber sind dafür verantwortlich, welche Firmen Aufträge erhalten", sieht Muchitsch auch die heimischen Unternehmen in der Pflicht.

Kein Anspruch auf Zulagen

Hundstorfer betont, dass weiterhin "mit einer großen Schlagzahl" kontrolliert werde. In den nächsten Jahren will die Finanzpolizei laut Muchitsch die Anzahl der Kontrollore von 400 auf 600 aufstocken. "In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird die Versuchung größer, unter unfairen Wettbewerbsbedingungen zu arbeiten", gibt er zu bedenken. Um die Kontrollen zu erleichtern, startet im kommenden Jahr eine flächendeckende Baustellen-Datenbank, die Auskunft darüber gibt, wann wo gebaut wird.

Einen Schönheitsfehler sieht die Gewerkschaft jedoch nach wie vor im Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping: Der Anspruch sollte vom Grundlohn auf das Entgelt erweitert werden, wodurch Arbeitnehmer nicht nur Anspruch auf den Grundlohn, sondern auch auf Zulagen hätten. Muchitsch hofft, dass die Wirtschaftskammer einlenkt. Der Ansturm an Zuwanderern nach der Arbeitsmarkt-Ostöffnung blieb aus: Laut Hundstorfer sind 19.808 Osteuropäer aus den acht EU-Ländern, für die die Regelung gilt, in den ersten sechs Monaten seit der Öffnung nach Österreich gekommen. Die Prognose von 20.000 bis 25.000 Zuwanderern im ganzen Jahr habe sich damit bestätigt.