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Nur Abschalten bringt Erholung

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
Mit Handy am Strand: Für viele schon eine Selbstverständlichkeit.
© © © Lost Horizon Images/cultura/C

Handy und Computer sollten im Urlaub nur eine Nebenrolle spielen.


Wien. Abgespannt, ausgelaugt, erschöpft - mit einem Wort: urlaubsreif. Wenn man sich unter der arbeitenden Bevölkerung so umhört, entsteht der Eindruck, dass sich manche das ganze Jahr über in diesem Zustand befinden. Doch noch nie hatte man als Angestellter in Österreich so viel Freizeit. Von einer 40-Stunden-Woche und mindestens fünf Wochen bezahlten Urlaub konnten unsere Großeltern nur träumen. Dazu kommen diverse gesetzliche Feiertage, bei deren geschickter Ausnutzung man sich das eine oder andere verlängerte Wochenende gönnen kann. Dennoch klagen immer mehr Menschen über chronische Erschöpfung.

Der Gesundheitspsychologe und Psychotherapeut Gerhard Blasche hat eine Erklärung dafür: "Das hat sicherlich damit zu tun, dass sich die Arbeitsintensität erhöht hat. Die Betriebe schauen, dass die einzelnen Arbeitnehmer gut ausgelastet sind. Früher gab es Leerläufe, und es war noch Zeit für Pausen. Eigentlich müsste man schon in die Arbeitszeit Erholungsphasen einbauen. Schafft man das nicht, entsteht ein akkumuliertes Erholungsdefizit. Außerdem sind die Österreicher fleißig und machen viele Überstunden."

Es einfach mal sein lassen fällt vielen Chefs schwer

Dass es dann in der Freizeit nicht gelingt, abzuschalten und Energie zu tanken, liegt nach Ansicht Blasches, der sich auf Biofeedback spezialisiert hat, auch an Handy und Computer. Blasche: "Die neuen Medien fesseln einen fast die ganze Zeit. Man ist ständig erreichbar, am Abend werden noch Mails beantwortet, oder man geht schnell noch auf Facebook. Das ist mentale Dauerbeanspruchung und keine wirkliche Erholung. Und wenn ich nicht wirklich ganz erholt bin, muss ich mich in der Arbeit noch mehr anstrengen."

Viele Menschen in verantwortungsvollen Positionen können es aber nicht einmal im Urlaub sein lassen und checken laufend ihre Firmen-Mails oder stehen mit dem Büro in Verbindung. Das hält Blasche für bedenklich: "Es muss möglich sein, dass man zumindest ein paar Tage darauf verzichtet und einen Rollenwechsel vom Manager zum Partner, Ehemann oder Vater vollzieht."

Und auch die Arbeitgeber sollten sich bewusst machen, dass Mitarbeiter, die in ein volles Burn-out schlittern, ein halbes Jahr nicht einsatzfähig sind. "Die Leute sind dann weg vom Fenster", warnt Blasche. Sein Plädoyer: Dafür sorgen, dass es nicht so weit kommt. Kontraproduktiv sei auch, wenn ein Haufen ungeöffneter Post und eine ellenlange To-Do-Liste auf den zurückgekehrten Urlauber wartet.

Urlaubsdauer hat keinen Einfluss auf Erholungseffekt

Wie sieht nun der optimale Urlaub aus: Durchgeplant vom ersten bis zum letzten Tag oder Dolce far niente? Blasche: "Ich halte es für wichtig, ein bisschen Struktur oder Rhythmus einzubauen. Aber zuerst sollte man in sich hineinhorchen und sich fragen: Was ist gut für mich? Wonach ist mir? Das haben viele verlernt."

Dass ein Erholungseffekt erst nach mindestens zwei Wochen Urlaub eintritt, ist eine Mär. Blasche: "Es gibt Untersuchungen, wonach die Urlaubsdauer keinen Einfluss auf den Erholungseffekt hat. In den ersten paar Tagen passiert nämlich psychisch und körperlich am meisten. Der Stress fällt ab, die Laune hebt sich, der Blutdruck sinkt. Wir sprechen hier aber von gesunden Menschen. Wer schon ein Burn-out hat, kriegt das mit ein paar Tagen Urlaub nicht weg."

Gegen einen dreiwöchigen Urlaub spreche aber natürlich nichts, allerdings gehe es bei einer längeren Auszeit um mehr als Erholung. "Da ist dann Zeit, um über sein Leben zu reflektieren", sagt Blasche.

Als Vorbeugung gegen chronische Erschöpfung und Burn-out rät er zu häufigeren, dafür aber kürzeren Urlauben. Auf jeden Fall zu empfehlen seien körperliche Aktivitäten - damit halte der Erholungseffekt, der normalerweise zwei bis drei Wochen spürbar ist, deutlich länger an.