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Das Recht, vergessen zu werden

Von Claudia Peintner

Wirtschaft

Verstaubte Ordner im Keller warten oft vergebens darauf, vernichtet zu werden.


Wien.

Das mühsame Vernichten von Papierbergen kann an externe Betriebe ausgelagert werden.
© © Push Pictures/Corbis

Handy-Daten, Stromrechnungen, Röntgenbilder, Baugutachten - über die Jahre sammeln sich unzählige Informationen in den Aktenlagern und Online-Archiven der Unternehmen. Rechtlich ist klar geregelt, wie lange welche Daten aufbewahrt werden müssen: So gelten etwa sieben Jahre für Buchhaltungsdaten oder bis zu 20 Jahre für medizinische Befunde.

"Dass die Daten auch wieder gelöscht werden, darauf wird in den Unternehmen allerdings zu wenig Rücksicht genommen", sagt der IT-Rechtsexperte Rainer Knyrim. Wenn Daten zu lange aufbewahrt werden, greift das ins Grundrecht auf Datenschutz ein. "Jeder Mensch hat ein Recht darauf, vergessen zu werden", so Knyrim. Firmen, die Daten unerlaubterweise nicht löschen beziehungsweise auch mit Schädigungsabsicht aufbewahren, droht eine Verwaltungsstrafe von bis zu 25.000 Euro; in manchen Fällen kann es für die Verantwortlichen auch eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr zur Folge haben.

Für die Kontrolle der Daten-Vernichtung in Firmen ist die Datenschutzbehörde zuständig. Sie prüft bei vorliegenden Beschwerden. Mögliche Strafen werden dann vom magistratischen Bezirksamt verhängt.

Doch nicht immer liegt es am Unternehmer allein, wenn beispielsweise Eingangs- und Ausgangsrechnungen bis in alle Ewigkeit gespeichert bleiben: "In der Praxis sind mittlerweile viele Archivierungs-Software-Systeme am Markt, aus denen einzelne Datensätze nicht mehr herausgelöscht werden können", erzählt Rechtsanwalt Knyrim. Der Grund: Viele Hersteller propagieren beim Verkauf ihrer Systeme die "Haltbarkeit von Daten bis zu 100 Jahren" - für die Löschung haben sie nichts auf Lager.

Festplatte in den Schredder

Im Ernstfall muss dann wohl die gesamte Festplatte zerschreddert werden. So reist etwa die Firma Rhenus Logistics auf Anfrage mit eigenem Lkw samt Spezial-Schreddern aus Groß Enzersdorf zu den Betrieben und öffentlichen Ämtern an.

Auch für Aktenordner kommen die Maschinen zum Einsatz: "Das papierlose Büro ist noch nicht viel mehr als ein Schlagwort. In der Praxis stapeln sich im Lager die Ordner und Kundendaten", sagt Hans-Christian Tesarik, Key Account Manager bei Rhenus. Hier den Überblick zu bewahren, welcher wann vernichtet werden soll, sei eine Herkulesaufgabe. Aus diesem Grund haben sich einige Unternehmen, so wie Rhenus, auf die Dokumentenlogistik spezialisiert. "Vor allem Banken und Versicherungen besitzen viele Daten. Den gesamten Altbestand in der Filiale aufzubewahren nimmt teuren Büroplatz weg", so Tesarik.

Aus diesem Grund übernimmt der Logistiker von Unternehmen all jene Aktenordner, die nicht permanent verfügbar sein müssen. Sie werden mit dem Namen der Abteilung, dem Vernichtungsdatum oder der Kostenstelle digital erfasst und dann ins Lager nach Groß Enzersdorf transportiert. Dort stehen 20 Kilometer Regalfläche zur Verfügung. Die Lagerung von einem Karton mit 12 Ordnern kostet rund 80 Cent im Monat. Wenn ein Ordner wieder benötigt wird, kann er über ein Online-Bestellsystem angefordert werden; die Lieferung erfolgt innerhalb von 24 Stunden. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist werden die Akten vor Ort vernichtet. Die Unternehmen erhalten einen Nachweis darüber.

Hacker im Gasthaus

"Die Aktenvernichtung ist ein wichtiges Datenschutzthema", sagt der Datensicherheitsexperte Herbert Bieber. Beim Löschen von Informationen dürfe man sich nicht nur auf die Daten im PC oder in Ordnern beschränken. Auch in Handys, Laptops und Druckern sind sensible Daten gespeichert.

Neben der sorgfältigen Archivierung und Vernichtung von Daten geht es auch darum, im Betrieb ein Sicherheits-Bewusstsein zu installieren: Das führt laut Bieber von Überwachungskameras beim Eingang bis hin zu Vorschriften zum Ausloggen beim kurzen Verlassen des Arbeitsplatzes.

Aber auch im Gasthaus, gleich neben der Firma, schläft der Feind nicht: "Informationen werden häufig beim Mittagessen mit Kollegen ausgeplaudert", berichtet Bieber. Wenn sie an falsche Ohren am Nachbartisch gelangen, kann schnell ein Groß-Auftrag weg sein.

Website der Österreichischen Datenschutzkommission