Wien. Erst Matura, dann Jobs in der Theater- und Kommunikationsbranche. Zwei Kinder, mit 37 plötzlich arbeitslos. Ursula G. beschließt einen beruflichen Neustart: und zwar mit einer Lehre als Floristin. Doch eine Lehre Ende 30, geht das überhaupt?
Auf den ersten Blick liegen viele Stolpersteine am Weg. Mit einem Lehrlingslohn von 400 Euro im Monat lassen sich keine Wohnung und sonstige Alltagskosten eines erwachsenen Menschen finanzieren. Im klassischen Lehrlingsplan ist eine 40-Stunden-Woche und parallel dazu Berufsschule vorgesehen. Eine Teilzeit-Lehrstelle für Familienerzieher oder Berufstätige ist mehr Wunsch als Wirklichkeit.
In die klassische Lehrlingsförderung fällt Ursula G. auch nicht mehr rein, da sie zu alt und auch keine Schulabbrecherin ist. Und beim Arbeitsmarktservice musste sich die Arbeitslose sogar von einem Berater anhören lassen: "Ich würde auch lieber in der Wüste Kamele züchten, statt hier zu sitzen. Ich nehme Ihnen nicht ab, dass Sie sich in dem Alter noch eine Lehre antun wollen."
Wege zur Lehrlingsprüfung
Eine Möglichkeit für spätberufene Lehrlinge ist, dass sie einen Lehrabschluss über eine außerordentliche Lehrabschlussprüfung im zweiten Bildungsweg nachholen. "Das Ziel einer Lehre ist die Abschlussprüfung und nicht die dreijährige Lehrzeit oder Berufsschule im Vorfeld", sagt Günther Zauner, Lehrlingsexperte in der Arbeiterkammer Wien. Das heißt, die Menschen müssen nachweisen, dass sie tatsächlich Semmeln backen oder ein Auto reparieren können. Dazu können die Personen in mehreren Betrieben einschlägige Berufserfahrung sammeln. Als Bezahlung wartet nicht der klassische Lehrlingslohn, sondern ein höherer Hilfsarbeiterlohn. Die Arbeitszeit ist flexibel gestaltbar - von Teilzeit bis hin zu Nachtarbeit.
Um schließlich für die außerordentliche Lehrabschlussprüfung zugelassen zu werden, ist ein positiver Bescheid der Lehrlingsstelle bei der Wirtschaftskammer erforderlich. "Man sollte nachweisen können - etwa über ein Bestätigungsschreiben des Arbeitgebers -, dass man zumindest mehr als 1,5 Jahre Berufserfahrung gesammelt hat. Weiteres erforderliches Wissen wird häufig über einen Vorbereitungslehrgang an einem privaten Ausbildungsinstitut erworben", sagt der AK-Experte.