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Die Lehre für Spätberufene

Von Claudia Peintner

Wirtschaft
Wer eine späte Lehre anstrebt, kann sich den Weg dorthin selbst zusammenschneidern.
© © Claudia Paulussen - Fotolia

Eine erfolgreiche Lehrlingsprüfung ist der Freibrief in den beruflichen Neustart.


Wien. Erst Matura, dann Jobs in der Theater- und Kommunikationsbranche. Zwei Kinder, mit 37 plötzlich arbeitslos. Ursula G. beschließt einen beruflichen Neustart: und zwar mit einer Lehre als Floristin. Doch eine Lehre Ende 30, geht das überhaupt?

Auf den ersten Blick liegen viele Stolpersteine am Weg. Mit einem Lehrlingslohn von 400 Euro im Monat lassen sich keine Wohnung und sonstige Alltagskosten eines erwachsenen Menschen finanzieren. Im klassischen Lehrlingsplan ist eine 40-Stunden-Woche und parallel dazu Berufsschule vorgesehen. Eine Teilzeit-Lehrstelle für Familienerzieher oder Berufstätige ist mehr Wunsch als Wirklichkeit.

In die klassische Lehrlingsförderung fällt Ursula G. auch nicht mehr rein, da sie zu alt und auch keine Schulabbrecherin ist. Und beim Arbeitsmarktservice musste sich die Arbeitslose sogar von einem Berater anhören lassen: "Ich würde auch lieber in der Wüste Kamele züchten, statt hier zu sitzen. Ich nehme Ihnen nicht ab, dass Sie sich in dem Alter noch eine Lehre antun wollen."

Wege zur Lehrlingsprüfung

Eine Möglichkeit für spätberufene Lehrlinge ist, dass sie einen Lehrabschluss über eine außerordentliche Lehrabschlussprüfung im zweiten Bildungsweg nachholen. "Das Ziel einer Lehre ist die Abschlussprüfung und nicht die dreijährige Lehrzeit oder Berufsschule im Vorfeld", sagt Günther Zauner, Lehrlingsexperte in der Arbeiterkammer Wien. Das heißt, die Menschen müssen nachweisen, dass sie tatsächlich Semmeln backen oder ein Auto reparieren können. Dazu können die Personen in mehreren Betrieben einschlägige Berufserfahrung sammeln. Als Bezahlung wartet nicht der klassische Lehrlingslohn, sondern ein höherer Hilfsarbeiterlohn. Die Arbeitszeit ist flexibel gestaltbar - von Teilzeit bis hin zu Nachtarbeit.

Um schließlich für die außerordentliche Lehrabschlussprüfung zugelassen zu werden, ist ein positiver Bescheid der Lehrlingsstelle bei der Wirtschaftskammer erforderlich. "Man sollte nachweisen können - etwa über ein Bestätigungsschreiben des Arbeitgebers -, dass man zumindest mehr als 1,5 Jahre Berufserfahrung gesammelt hat. Weiteres erforderliches Wissen wird häufig über einen Vorbereitungslehrgang an einem privaten Ausbildungsinstitut erworben", sagt der AK-Experte.

Das Berufsförderungsinstitut bfi bietet etwa mehr als 50 Vorbereitungskurse für Lehrberufe an - vom Reisebüroassistenten bis hin zum IT-Techniker. Die Fachkurse sind in Module eingeteilt und finden untertags oder abends statt. Beim Weiterbildungsinstitut Wifi kostet etwa ein Vorbereitungskurs zum Buchhalter 2500 Euro für 340 Lehreinheiten. Ein angehender Bürokaufmann zahlt 990 Euro für 145 Lehreinheiten.

Keine Förderungen

Johannes S. entschied sich mit 23 Jahren für eine Kochlehre. "Kochen war für mich eine Leidenschaft und ich dachte, das ist ein Job, mit dem ich überall auf der Welt arbeiten kann", erzählt der heute 36-Jährige. Er wählte damals die klassische Lehre mit einem Tag Berufsschule in der Woche. Die Zeit beschreibt er als "schwierig". Die Lehrvergütung von damals rund 5000 Schilling monatlich reichte kaum für Miete, Essen und Heizung. Im Betrieb hätte er zwar ein wenig mehr Verantwortung als seine 16-jährigen Kollegen bekommen, im Endeffekt bleibe man aber ein "kleines Rädchen, das nichts zu melden hat", so der Deutsche. Eine Hürde, die sich auf seinem späteren Lebensweg auftat: Als er nach der Lehre zum Studieren anfing, blieb ihm ein Selbsterhalter-Stipendium verwehrt: Man muss dafür vier Jahre gearbeitet haben, die Lehrzeit wird nicht angerechnet.

Förderungen für ältere Lehrlinge im zweiten Bildungsweg gibt es keine. Lediglich Lehrabsolventen unter 35 Jahren, die einen ausgezeichneten Erfolg nachweisen können, erhalten eine Begabtenförderung durch das Ifa-Programm des Wirtschaftsministeriums. Betriebe, die ihren Mitarbeitern einen Hilfsarbeiterlohn zahlen, können beim Arbeitsmarktservice eine Lehrstellenförderung beantragen. In Wien können Unternehmen weiters Förderungen beim Waff, dem Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds, anfragen.

Der zweite Weg, eine Lehre im fortgeschrittenen Alter zu beginnen, ist die "Facharbeiterintensivausbildung". Sie wird vor allem für jene angeboten, die in technische Berufe umsatteln möchten - etwa in den Elektro-, Metall- oder EDV-Bereich.

Die Ausbildung erfolgt in einer verkürzten Lehrzeit zwischen 18 und 24 Monaten. Ausgebildet wird nicht im Betrieb, sondern in Lehrwerkstätten wie etwa im Berufsausbildungszentrum des bfi Wien; häufig auch in Kooperation mit Unternehmen. Das AMS übernimmt die Ausbildungskosten. Voraussetzung ist, dass der Betroffene arbeitslos gemeldet ist und einen Kenntnis-Überprüfungstest absolviert hat.