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Das unscheinbare Schwergewicht

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft
Die Branche für Informationstechnologie ringt um verstärkte Aufmerksamkeit.
© © © Erich Schlegel/Corbis

Informationstechnologie wird trotz Fachkräftemangels zu einer Leitbranche.


Wien. Von der Displaybeleuchtung für Smartphones über den Weltmarktführer bei digitaler Filmrestaurierung bis zur globalen Nummer eins der Informationssysteme in der Flugsicherheit - gäbe es eine Plakette "Made in Austria", würde sie auf zahlreichen digitalen Produkten prangen. Denn weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich in Österreich eine Industrie für Informationstechnologie (IT) etabliert, die heimisches Know-how in alle Welt exportiert und für eine leistungsfähige Wirtschaft sorgt. Doch ungeachtet dieser Erfolge kämpft die Branche um ihr Image. Und damit um ihre Zukunft.

"Die Bedeutung der IT-Branche ergibt sich allein schon aus den Fakten, dass wissensintensive Dienstleister rund 27 Prozent der gesamten Wertschöpfung erzielen und für 13 Prozent des Exportes stehen. Insgesamt sind sie für 40 Prozent des Konjunkturmotors verantwortlich", eröffnet Alfred Harl, Obmann des Wirtschaftskammer-Fachverbandes Unternehmensberatung und IT (UBIT), im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" seine Argumentation. Allgemein wird der Beitrag der IT zum Bruttoinlandsprodukt inzwischen mit rund sechs Prozent berechnet. Mit einem Umsatz von 14,16 Milliarden im Jahr hat der digitale Sektor dabei arrivierte Branchen wie das Immobilienwesen, die Nahrungsmittelproduktion oder die Gastronomie abgehängt. Vergleicht man sämtliche Wirtschaftsbranchen in Bezug auf indirekte Effekte wie die Nachfrage nach Vorprodukten oder Betriebsstoffen, Kaufkrafteffekte und die Wirkung von Investitionen auf den Arbeitsmarkt, rangiert die IT der "Impact Analyse" von UBIT und dem Verband der Österreichischen Softwareindustrie (VÖSI) zufolge auf Platz sechs - vor den Banken und dem Tourismus.

Aus der überwiegend klein und mittelständisch strukturierten IT-Landschaft drängten darüber hinaus einige Unternehmen erfolgreich auf den Weltmarkt. So gilt die Wiener Frequentis als Weltmarktführer bei Informations- und Kommunikationssystemen in der Flugsicherheit. In der digitalen Filmrestaurierung hat HS-Art Digital Service aus Graz Weltgeltung. Millionen von PC-Anwendern benutzen weltweit das Grafikprogramm IrfanView, das ein Kleinstunternehmer in Niederösterreich vertreibt und entwickelt.

Und es gibt auch einen weiteren Aspekt, der für Österreich als Wirtschaftsstandort von entscheidender Bedeutung ist: "Die Branche ist so wichtig, weil sie eine Querschnittfunktion hat. Egal ob in der Tankstelle, der Arztpraxis oder dem Büro - die IT ist schlichtweg überall die Lebensader", meint Harl.

Image spiegelt nicht die Leistung der Branche wider

Ungeachtet ihrer Leistungen hat die IT hat ein großes Problem: ihr Image. "Wir sind immer schon der Meinung gewesen, dass die IT-Branche sehr wichtig für Österreich ist. Nur leider wurde das in der Öffentlichkeit nicht immer so wahrgenommen", meint VÖSI-Präsident Peter Kotauczek.

Eine Frage der Wahrnehmung, die für die IT-Szene beträchtliche Folgen hat. Denn das Image der Branche ist untrennbar mit der Lösung ihrer größten Herausforderung verbunden: dem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. "Der Fachkräftemangel ist das Thema Nummer eins", so Harl. "Hier müssen wir ganz klar dagegensteuern und Zukunftschancen aufzeigen", meint der UBIT-Obmann. Dringender Handlungsbedarf bestehe insbesondere, weil die demographische Entwicklung den IT-Markt bis 2020 massiv treffen werde: "Viele Menschen, die in 1980ern in die IT gedrängt haben, gehen in den Ruhestand. Die Lücke aufzufüllen, wird nicht leicht sein", schlägt Harl Alarm. "Wir haben das Problem, dass fast kein Nachwuchs mehr kommt. Die Bereitschaft der jungen Menschen, sich ins Softwaregeschäft zu begeben, wird immer geringer", stimmt auch Kotauczek zu.

Selbstbewusste Forderungen an die heimische Politik

Die Branchenverbände setzen folglich auf Öffentlichkeitsarbeit und wollen näher an die Ausbildungsstätten rücken. "Auf die Dauer wird es uns aber nur dann gelingen, wenn beim Ausbildungssystem am Anfang ein stärkeres Bewusstsein geschaffen wird. Da muss viel grundsätzlicher gearbeitet werden", so UBIT-Vize-Obmann Robert Bodenstein mit Blick auf die Politik.

An die stellt man nämlich eine konkrete Forderung: "Die Koordinationsstelle auf Regierungsebene fehlt. Daher fordern wir schon lange ein eigenes IKT-(Informationstechnologie und Telekommunikation, Anm.) Ministerium", sagt Harl. Zwar gibt es Projekte wie eLSA (eLearning im Schul-Alltag) des Unterrichtsministeriums oder die Initiative FIT-IT (Forschung-Innovation-Technologie-Informationstechnologie) des Infrastrukturministeriums, ein ressortübergreifender strategischer Rahmen wird aber vermisst.

Im Bundeskanzleramt stößt die Forderung freilich auf wenig Gegenliebe. Denn hier existieren bereits seit Jahren Strukturen, die die strategische Planung der IT-Verwaltung vorantreiben. Was auch mit einigem Erfolg gelungen ist: Im E-Government-Ranking der EU lag Österreich 2001 noch auf Platz 13 von damals 15 Mitgliedsländern. "Mittlerweile sind wir auf Platz eins in Europa", betont Reinhard Posch, Chief Information Officer im Bundeskanzleramt und Vorsitzender der "Plattform digitales Österreich" (PDÖ).

Von IT-Ministern will Posch allerdings nichts wissen. "Ich sehe das nicht produktiv. Es ist wichtig, dass die Koordination dort liegt, wo sie durchführbar ist: beim Kanzler." Dass auch die Plattform nur dann aktiv werden kann, wenn der politische Wille da ist, räumt Posch aber ein. Und der sei eben "je nach Phase und Situation stärker oder schwächer".

Für die Branche bedeutet das, dass man vorerst auf die politische Willensbildung hoffen muss. "Wir können nur im Wald singen - in der Hoffnung, dass die hohe Politik darauf reagiert", so Kotauczek. "Wir müssen das IT-Herz Europas werden", fordert indes Harl. Und betont: "Österreich soll eine Marke werden." Die Produkte dafür gäbe es bereits. Jetzt bedarf es nur noch einer Plakette. Und Garantien für die Zukunft.

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