Zum Hauptinhalt springen

"Online sind wir noch in der Steinzeit"

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft
Jumio-Gründer Daniel Mattes will es nach dem Erfolg mit Jajah noch einmal wissen.
© jumio.com

Österreichs "Bill Gates der Alpen" über unpraktsiche Bezahlsysteme im Internet und die Perspektiven der heimischen IT-Branche.


Wien/Mountain View. Er gilt als "Bill Gates der Alpen", wird regelmäßig zu den wichtigsten Unternehmern des Landes gezählt und hat etwas geschafft, von dem viele heimische Talente träumen: Daniel Mattes, Co-Gründer der Online-Telefonieanbieters Jajah, hat gemeinsam mit Roman Scharf ein österreichisches IT-Startup aufgebaut, auf den Weltmarkt gebracht - und schließlich für eine dreistellige Millionensumme verkauft. Vom Ruhestand will der in Silicon Valley ansässige Internet-Unternehmer jedoch nichts wissen. Welche Ziele er mit seinem neuen Unternehmen Jumio verfolgt, wie schwierig es ist, mit einem österreichischen IT-Startup groß zu werden und welche Chancen er für den heimischen Standort sieht, verrät Mattes im Email-Interview mit der "Wiener Zeitung".
<http: derstandard.at="" 1281829395369="" tech-start-ups-warum-man-weiterhin-nach-silicon-valley-gehen-muss=""><br style="font-style: italic;" /> Wiener Zeitung:  Herr Mattes, Sie haben mit ihrem neuen Unternehmen Jumio bereits für Schlagzeilen gesorgt, holten für den Aufbau des Bezahlsystemanbieters beispielsweise den Facebook-Co-Gründer Eduardo Severin an Bord. Werden die Jumio-Lösungen am Markt bereits wahrgenommen und genutzt? Daniel Mattes: Wir haben seit der Markteinführung im Juli viele Kunden gewinnen können und unser Vertrieb ist momentan sehr beschäftigt. Das Produkt, Netswipe, wird bereits in vielen Bereichen genutzt, gerade dort, wo Kreditkartenbetrug ein massives Problem darstellt. Das sind in erster Linie Branchen, die virtuelle Güter verkaufen, wie etwa Telefonie oder Internetwetten. 2012 werden wir massiv auf den Markt gehen und dann unser Produkt auch außerhalb der USA anbieten, ganz bestimmt auch für österreichische Händler.

Welche Perspektiven sehen Sie im Bereich der Web-Bezahldienste – auch in Hinblick auf die Marktmacht von Paypal - und welche Ziele verfolgen Sie mit Jumio?  <br style="font-style: italic;" /> Mattes: Es gibt mittlerweile einige Unternehmen im Bezahlbereich und es ist positiv, dass alle Unternehmen den Kampf gegen Kreditkartenbetrug im Netz als Priorität ansehen. Diese Unternehmen haben dafür freilich verschiedene Ansätze. Unser Credo ist es, das Beste aus beiden Welten zu verbinden: Aus der Online-Welt die Verfügbarkeit rund um die Uhr und das bequeme Shopping von der Wohnzimmercouch, aus der Offline-Welt die Sicherheit und Einfachheit einer Bezahlung. Wenn man herkömmliches Bezahlen in der Online-Welt mit dem Vorgang im Geschäft ums Eck vergleicht, sieht man, dass wir online noch in der Steinzeit sind. Wäre Bezahlen, beispielsweise im Restaurant, genauso wie im Internet, müsste man ja zuerst mühselig ein Formular ausfüllen. Das möchten wir grundlegend ändern und den Konsumenten rasches, sicheres Bezahlen anbieten.

"</http:>Das Silicon Valley ist die Wiege des E-Business"<http: derstandard.at="" 1281829395369="" tech-start-ups-warum-man-weiterhin-nach-silicon-valley-gehen-muss="">Sie sind seit über einem Jahrzehnt als IT-Unternehmer tätig, waren das anfangs in Österreich. War die Übersiedelung von Jajah in das Silicon Valley eine Bedingung für den Bezug von US-amerikanischem Risikokapital oder gab es noch andere Gründe? <br style="font-style: italic;" /> Mattes: Für dieses Investment (vom US-amerikanischen Risikokapitalgeber Sequoia, Anm.) war es tatsächlich Bedingung, dass der Unternehmensstandort in den USA liegt, das stand außer Diskussion. Allerdings ist es für ein Unternehmen wie Jajah auch unabdingbar, sich dort niederzulassen. Der Grund dafür ist einfach: Im Silicon Valley sind alle potenziellen Kooperationspartner für einen Internettelefondienst innerhalb weniger Quadratkilometer vereint. Das macht Gesprächstermine und Verhandlungen wesentlich einfacher, als wenn man dafür extra anreisen muss.

Was funktioniert in den USA in Sachen E-Business besser als in Österreich?  <br style="font-style: italic;" /> Mattes: Das Silicon Valley ist die Wiege des E-Business. Dort wurde es erfunden, dort wird es kompromisslos gelebt. Hier werden Innovationen dankbar angenommen und man denkt über die Möglichkeiten nach, die eine neue technische Lösung bringt. Gespräche die man mit Kollegen aus der Industrie führt stocken nicht im Probleme aufzeigen und wälzen, sondern entwickeln sich zu einem gemeinsamen Brainstorming. Der Innovationsgeist ist sehr stark ausgeprägt.

Peter Kotauczek, Präsident des Verbands der Österreichischen Softwareindustrie, beklagte, dass junge Selbstständige in Österreich kein Interesse daran hätten, ein einmal aufgebautes Unternehmen dann auch langfristig zu führen und zu einem großen Player zu machen. Sie meinten in einem Interview, dass das Führen eines Unternehmens mit über 100 Mitarbeitern keinen großen Reiz mehr auf Sie ausübt. Hat Herr Kotauczek Recht?  Mattes: Ich glaube, die Sache liegt in der Kompetenz der individuellen Person. Manche Menschen sind besser dazu geeignet der CEO eines großen, weltweiten Unternehmens zu sein. Diese Rolle hat eigene Reize, man muss strategisch anders agieren. Als CEO eines Start-Ups muss man andere Kompetenzen besitzen. Man muss schnell agieren, ständig anpassen, mit einem kleinen Team arbeiten und dieses führen. Und da besonders die eigene Begeisterung und Motivation multiplizieren. Meine Kernmitarbeiter kennen keine geregelte Arbeitszeit, sie arbeiten für die Firma und das Produkt, weil sie selbst etwas Großes schaffen möchten. Ob Herr Kotauczek recht hat? Ich kann nur für mich sprechen und ich sehe mich als Aufbauer, nicht als Verwalter.

Wie schätzen Sie die Expertise und die Perspektiven der österreichischen IT-Branche ein?  <br style="font-style: italic;" /> Mattes: Österreich hat sehr kompetente Köpfe und großen Innovationsgeist. Die größten Hürden sehe ich in den Rahmenbedingungen. Im IT Geschäft muss man schnell agieren, wenn da alleine die Firmengründung Wochen dauert und die Bürokratie die Arbeitskraft bindet, ist das nicht förderlich. Aber grundsätzlich sehe ich die Zukunft für österreichische Innovatoren sehr positiv.

Sie beteiligten sich an uboot.com und dem Experten-Videoportal Meovi. Basieren diese Österreich-Engagements auf normalen geschäftlichen Entscheidungen oder verfolgen Sie damit auch andere Ziele?  <br style="font-style: italic;" /> Mattes: Eindeutig Ersteres. Beide Unternehmen haben innovative Konzepte vorgelegt, an die ich glaube. Sowohl uboot als auch Meovi bestehen aus sehr vielversprechenden Teams mit einer zukunftsträchtigen Vision. Für mich sind beide interessante Investments.
</http:>