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Die Geheimtipps im Westen

Von Peter Muzik

Wirtschaft
Die Anreise ins Kleinwalsertal (im Bild Mittelberg) nehmen betuchte Bankkunden gerne in Kauf.
© © Imaginis - Fotolia

Zwei diskrete Raiffeisen-Institute lassen die Konkurrenz alt aussehen.


Das Casino schreibt rote Zahlen. Sonst dreht sich im Kleinwalsertal alles um Gewinne. Das ist zwar nicht einfach in Zeiten wie diesen, wenn die Aktienkurse verrücktspielen, doch für betuchte Anleger überwiegend deutscher Provenienz ist die winzige Finanzoase nach wie vor ein heißer Geheimtipp. In Riezlern, dem 2000 Einwohner zählenden Zentrum der zu Vorarlberg gehörenden Enklave, sind gleich sechs österreichische Kreditinstitute ansässig. Es gibt von dort zwar keine direkte Straßenverbindung ins Ländle, doch die traditionellerweise diskreten Banker profitieren davon, dass München oder Stuttgart maximal drei Autostunden entfernt liegen. Am Flughafen Friedrichshafen landen regelmäßig Passagiere aus Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln und Frankfurt, die die 100 Kilometer lange Anreise ins Kleinwalsertal gerne in Kauf nehmen.

Mit Plakatslogans wie "Sie werden die Stille lieben", "An Ihr Geld lassen wir keinen ran!" oder "Pssst! Gesunde Tipps für Anleger" signalisieren die dortigen Geldinstitute, dass die Klientel bei ihnen besser aufgehoben ist als anderswo, etwa in Wien. Mit einer Bilanzsumme von fast 850 Millionen Euro ist die zum Raiffeisen-Imperium gehörende Walser Privatbank AG der Platzhirsch. Sie beschäftigt 180 Mitarbeiter, verwaltet Kundeneinlagen in Höhe von rund 530 Millionen beziehungsweise ein Kundenvermögen von 2,4 Milliarden Euro und glänzte 2010 mit einer Eigenkapitalquote von 29,5 Prozent.

Erst kürzlich wurde die Walser Privatbank, die bis 2008 Raiffeisenbank Kleinwalsertal hieß, vom renommierten deutschen Finanzinfoservice "Fuchsbriefe" zur besten Private-Banking-Adresse Österreichs gekürt. Unter den 100 anonym getesteten Privatbanken im deutschsprachigen Raum reichte es zwar nur für Gesamtrang 15, doch die zum vierten Mal verliehene Auszeichnung ist ein Trost angesichts schwieriger Zeiten: Wie alle anderen müssen auch die rot-weiß-roten Privatbanken gegen einen massiven Vertrauensverlust ankämpfen, den sie in den vergangenen Krisenjahren erlitten. Das Faktum, dass vermögende Kunden fast überall (teilweise beträchtliche) Rückschläge und Verluste hinzunehmen hatten, macht allen ausnahmslos zu schaffen.

Die einstmals glamouröse Branche der spezialisierten Vermögensratgeber ist angesichts der Talfahrt an den Börsen und der Unsicherheiten an den Märkten bescheiden geworden: Jetzt geht es nicht mehr primär um möglichst hohe Renditen in kürzester Zeit und riskante Veranlagungsformen, die den Beratern fette Provisionen eingetragen haben, sondern schlicht und einfach "um den Erhalt des Kapitals und die Beherrschung der Risiken durch eine breite Diversifikation", wie es der Bank-Austria-Vorstand Robert Zadrazil formuliert.

Goldene Ära ist passé

An den neuen Strategien kommt kein Anbieter vorbei: Marktführer Bank Austria mit seiner Division Private Banking, die österreichweit an 25 Standorten mit 550 Mitarbeitern fast 34.000 vermögende Kunden betreut, ebenso wenig wie die angesehene Wiener Privatbank Gutmann. Das überwiegend im Besitz der Industriellenfamilie Kahane befindliche Spezialinstitut widmet sich in- und ausländischen Unternehmern, Stiftungen, vermögenden Familien sowie institutionellen Investoren und verwaltet mehr als 13 Milliarden Euro Vermögen.

Während Kunden an den noblen Adressen vor einigen Jahren erst ab einer Million Euro wahrgenommen wurden, geben’s die Banken nun billiger: Der Onlineanbieter direktanlage.at wirbt mit dem Werbeslogan "Für eine der besten Vermögensverwaltungen braucht man kein Vermögen" um Neugeschäft. Bei ihm ist ein Anleger ab 25.000 Euro dabei.

Die Walser Privatbank hingegen, neben der neuromanischen Pfarrkirche, der Skischule und einer Table-Dance-Bar die Hauptattraktion von Riezlern, bevorzugt Investoren, die zumindest 300.000 Euro anzulegen haben. Neben bodenständiger Diskretion hat sie speziell zu bieten, wofür sie als Österreichs Nummer eins prämiert wurde: Ihr Vorstandsvorsitzender Günther Dapunt schwört auf eine hohe Beratungsqualität, intensive Kundenbetreuung sowie verständlich vermittelte Anlagestrategien. Die Bank schaffe, heißt es im "Fuchs-Report 2012", die "Balance zwischen den Zielen und der Risikomentalität ihrer Kunden nachvollziehbar und anschaulich". Marketingmann Markus Kalab ergänzt: "Bei uns waren die Einbußen definitiv geringer als bei anderen Banken."

"Hochkaräter-Finanzzentrum"

Auch wenn die goldenen Jahre, als das Kleinwalsertal für reiche Deutsche noch eine ideale Steueroase war, endgültig vorbei sind, was nicht zuletzt mit der Lockerung des rot-weiß-roten Bankgeheimnisses zu tun hat, schlägt sich die Walser Privatbank wacker: Mit jungen Niederlassungen in Düsseldorf, Stuttgart und Palma de Mallorca - der einzigen deutschsprachigen Private-Banking-Adresse auf den Balearen - sowie der 75-Prozent-Beteiligung an der Raiffeisen Privatbank Liechtenstein betreut sie rund 9000 deutsche Kunden und kann den Abzug von Kundengeld aus dem Kleinwalsertal verschmerzen. Sie tut sich leichter als Wiener Privatbanken, die von der Krise gebeutelt wurden und nur magere Zahlen ausgewiesen haben.

Der zweite Geheimtipp unter den Vermögensverwaltern gehört ebenfalls zum Raiffeisenreich: Das Bankhaus Jungholz, eine Zweigniederlassung der Raiffeisenbank Reutte, ist in der gleichnamigen 300-Einwohner-Gemeinde inmitten von Bayern daheim, wo österreichisches Recht und somit das österreichische Bankwesengesetz gilt. Die besondere Lage hat dem Tiroler Ort bei deutschen Anlegern große Popularität eingebracht. Jungholz hat ein Image als Steuerparadies zu verteidigen, in dem einst 15.000 bundesdeutsche Bürger ihr Geld vor dem Fiskus zu "verstecken" versuchten. In den besten Zeiten lagen vier Milliarden Euro bei den drei Jungholzer Banken, was dem heimischen Mitbewerb naturgemäß ebenso ein Dorn im Auge war wie deutschen Politikern.

Heute verwaltet das Bankhaus Jungholz 1,4 Milliarden Euro Kundenvermögen. Die Top-Position wurde im vom "Handelsblatt" publizierten Finanztest "Die Elite der Vermögensverwalter im deutschsprachigen Raum" acht Mal in Folge mit "Summa cum laude" bestätigt. Das Lob, das nur wenigen der 360 getesteten Banken und Vermögensverwaltern zuteil wird, machte aus dem kleinen Institut ein "hochkarätiges Finanzzentrum" ("Süddeutsche Zeitung"). Filialleiter Wolfgang Schweißgut, der "Aufrichtigkeit, Fairness und Professionalität" als unerlässlich erachtet, definiert die Rolle seines Hauses als "Partner, der für Stabilität, Vertrauen und Sicherheit zum Wohle unserer Kunden steht".

Die Muttergesellschaft der Jungholzer in Reutte will indes von der Enklave nicht allzu abhängig werden: Sie übernahm vor rund einem Jahr das Stuttgarter Bankhaus Bauer, das der Düsseldorfer Hypothekenbank gehört hat. Sie stellt sich dank der Offensive nach Deutschland breiter auf und bringt laut Vorstandsdirektor Johannes Gomig "unser mehrfach ausgezeichnetes Know-how im Private Banking auch am deutschen Markt zum Einsatz". Reiche Stuttgarter müssen also seither nicht mehr nach Jungholz pilgern.

"Sie werden die Stille lieben." -
"Pssst! Gesunde Tipps für Anleger"

Werbeslogans für Privatbanken