"Wiener Zeitung": Im Weihnachtsgeschäft geben manche Geschäfte schon jetzt Rabatte von 50 Prozent und mehr. Schmeißen die Händler die Nerven weg?
Bettina Lorentschitsch: Derzeit liegt der Umsatz im Weihnachtsgeschäft vier Prozent über dem Rekordwert aus dem Vorjahr. Die Geschäftsleute machen gezielte Aktionen abseits vom Winter- und Sommerschlussverkauf. Die Kaufleute verschleudern ihre Ware nicht, sondern achten dabei natürlich auf ihren Gesamtertrag. Mit den Aktionen bringen die Händler mehr Kunden ins Geschäft, und die Preisnachlässe werden ja nur auf ausgewählte Produkte oder Warengruppen gewährt.
Die Diskussion um die Sonntagsöffnung ist neu entflammt, weil die Einrichtungskette Interio am vergangenen Sonntag im Einkaufszentrum am Wiener Westbahnhof geöffnet hatte. Sollten die Geschäfte auch am Sonntag aufsperren dürfen, zumindest an fünf bis sechs Sonntagen pro Jahr?
Lorentschitsch: Die Regelung zur Sonntagsöffnung ist sinnvoll und gut, wie sie derzeit ist. Man darf die ökonomischen Aspekte nicht vergessen: Bei einer Sonntagsöffnung - auch an einigen Sonntagen pro Jahr - würde der Umsatz nicht steigen, sondern sich lediglich verschieben. Gewisse Gegenden, etwa in Städten und Tourismusregionen, würden dabei stärker profitieren als andere. Das wichtigste Argument gegen die Sonntagsöffnung ist das gesellschaftspolitische: Unsere Gesellschaft ist auf den Sonntag als Ruhetag ausgelegt, ebenso wie die Infrastruktur für Unternehmer und Mitarbeiter – es gibt kaum Kinderbetreuungseinrichtungen, die am Sonntag offen haben. Das ist ein Problem, wenn man bedenkt, dass 70 Prozent der im Handel Beschäftigten Frauen sind. Es gibt immer wieder Einzelfälle von Händlern, die am Sonntag aufsperren. Die Sonntagsöffnung ist derzeit vor allem in Wien ein Thema. Der Umsatz am Sonntag würde die Personalkosten und die zusätzlichen Kosten für die Händler aber nicht rechtfertigen.
Welche Umsatzerwartungen haben Sie für 2012 im Handel angesichts der sich eintrübenden Konjunkturaussichten?
Lorentschitsch: Ob das nächste Jahr schwierig für den Handel wird, hängt von einigen Unsicherheitsfaktoren ab, unter anderem von der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Konjunktur. Ich hoffe, dass keine zusätzlichen Abgaben- und Steuererhöhungen kommen, denn das würde Unternehmer am Investieren hindern und die Kaufkraft der Konsumenten schwächen. Die Kollektivvertrags-Abschlüsse liegen über der Inflationsrate, also hoffe ich, dass die Krise nicht voll auf den Konsum durchschlagen wird. Ich gehe davon aus, dass der Umsatz im Handel wie schon in der letzten Wirtschaftskrise stabil bleibt. Der Konsum wird wohl auch bei einer schwächeren Konjunktur nicht maßgeblich nachgeben, da bin ich optimistisch.