Erwarten Sie Preiserhöhungen im kommenden Jahr? Der österreichische Handel wird ja immer von Verbraucherschützern dafür kritisiert, dass Produkte mehr als zum Beispiel in Deutschland kosten.

René Tritscher: Es kann nicht sein, dass neue Steuern und Abgaben eingeführt werden und der Handel letztendlich als Buh-Mann dasteht, weil die Preise höher sind als etwa in Deutschland, wenn völlig andere Faktoren für die Preisbildung verantwortlich sind und am Ende des Tages eine Marge für den Händler übrig bleiben soll. Es werden immer wieder neue Belastungen von der Öffentlichen Hand erfunden, die in der Preiskalkulation im Handel Eingang finden müssen. Händler müssen die Vielzahl kleiner Abgaben, zum Beispiel die Erhöhung der U-Bahn-Steuer in Wien, mit einkalkulieren, ebenso wie die Lohnsteigerungen jedes Jahr. Der Druck auf die Händler steigt natürlich durch solche Abgaben. Es ist eine Illusion zu glauben, dass der Handel die Abgaben abfangen kann. Der Produktpreis ist auch ein Ergebnis der Vielzahl an Belastungen, die ein Händler tragen muss - wenn er sie überhaupt im Produktpreis unterbringt. Bei einem derartigen Wettbewerb wie beispielsweise im heimischen Lebensmittel- oder Drogeriehandel können Unternehmen gar nicht die Abgaben eins zu eins an Konsumenten weitergeben.

Haben Sie ein Rezept, um aussterbende Nebeneinkaufsstraßen und Ortskerne wiederzubeleben?

Lorentschitsch: Der Trend geht derzeit zum Einkaufen in Einkaufszentren und großen Einkaufsstraßen. Wir werden alles dafür tun, dass klassische Nahversorger und kleine Geschäfte ebenfalls am Leben bleiben. Die Nahversorger tragen maßgeblich zur Lebensqualität der Menschen bei. Am Land sind die Postpartnerschaften ein gelungenes Beispiel dafür, wie man Nahversorger und kleine Geschäfte unterstützen kann. Mittlerweile gibt es 1270 Postpartner in ganz Österreich, und die Zahl nimmt weiterhin zu. Das ist ein erster Schritt in eine positive Richtung.

Tritscher: Man muss unkonventionelle Wege gehen wie beispielsweise bei der Postpartnerschaft. Der Händler stellt einen sozialen Marktplatz und Treffpunkt in  einer Gemeinde oder in Städten dar. Hier unterstützen wir Händler, neue Dienstleistungen anbieten zu können. Darüber hinaus gibt es sehr viele Initiativen der Einkaufsstraßen – nicht nur in Wien, sondern auch in vielen Bezirksstädten -  wo gemeinsames Marketing und gemeinsame Aktionen koordiniert werden. Wir glauben aber auch, dass man Rahmenbedingungen schaffen muss, dass es sich eben nicht rechnet, einfach ein Einkaufszentrum zu bauen, sondern dass man über die Gemeindegrenzen in der Lokalpolitik denkt. Wir schlagen den interkommunalen Finanzausgleich vor, sodass die Politiker nicht nur das Budget  ihrer Gemeinde sehen. Derzeit ist jeder Lokalpolitiker gezwungen, möglichst viel Verkaufsfläche in seiner Gemeinde zu schaffen, weil es Kommunalabgaben bringt und das Budget erhöht. Wir brauchen aber eine stärkere Zusammenarbeit über die Gemeinde- und Bezirksgrenzen hinaus. Sonst ist der Anreiz von Bürgermeistern gleich null, auf andere Gemeinden Rücksicht zu nehmen.