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"Die Landwirtschaft mauert nicht"

Von Hermann Sileitsch und Stefan Melichar

Wirtschaft
Landwirtschafts- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich sieht wegen verfehlter Klimaziele auf Österreich Nachzahlungen von schätzungsweise rund 600 Millionen Euro zukommen.
© © Wiener Zeitung

Berlakovich ist bereit, über Steuern auf Umwidmungsgewinne zu diskutieren.


"Wiener Zeitung": Das Einkommen der heimischen Bauern legte heuer im Durchschnitt real um 12,2 Prozent zu. Ist es da verwunderlich, dass nun Rufe laut werden, die Landwirtschaft solle mehr zur Budgetsanierung beitragen?Nikolaus Berlakovich: Die Bauerneinkommen muss man über die Jahre betrachten, dabei zeigen sich extreme Schwankungen. Feststeht, dass die Landwirtschaft schon bisher einen Beitrag zur Budgetkonsolidierung geleistet hat. Man kann nicht alles auf den Rücken der Bauern sanieren.

Entscheidend ist, dass unsere Umweltprogramme und Bergbauernprogramme nicht gekürzt werden, wo mehrjährige Verpflichtungen eingegangen worden sind. Jeder Euro wird hier investiert, und das brauchen wir gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Wird Österreich weiterhin das Geld für alle nötigen Kofinanzierungen bei EU-Förderungen aufbringen?

Grundsätzlich stellt uns der Budgetvorschlag der EU-Kommission für die Finanzperiode ab 2014 nicht zufrieden. Darin verliert der Agrarbereich als einziger Sektor Geld. Bauern schauen auf die Umwelt und die Natur, deshalb gilt es, die nötigen Finanzmittel zu sichern. Es gibt ein klares "Ja" zur Kofinanzierung, Bund und Länder sind dazu bereit.

Ihr Koalitionspartner, die SPÖ, hat zahlreiche Vorschläge für neue Steuereinnahmen gemacht. Davon würden 220 Millionen Euro ausschließlich die Landwirtschaft betreffen, weitere 1,3 Milliarden Euro zumindest schwerpunktmäßig. Was davon ist für Sie überhaupt  verhandelbar?

Die Budgetsanierung ist kein Schachspiel, bei dem nur die Bauern an vorderster Front als Opfer übrigbleiben. Die SPÖ hat ein reines Steuerbelastungspaket vorgeschlagen, was generell ein falsches Signal ist. Wir müssen jetzt die Wirtschaft ankurbeln, um durch die Krise zu kommen.
Bezogen auf den Agrarsektor stimmen auch die genannten Zahlen nicht: Die Kfz-Steuer bringt derzeit dem Staat insgesamt rund 40 Millionen Euro pro Jahr ein. Es ist unrealistisch, dass eine Aufhebung der Befreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge zusätzlich 110 Millionen Euro ins Budget spülen würde. Auch die Einführung einer Düngemittelabgabe wäre kurios. Das wäre nämlich eine zusätzliche Besteuerung eines Betriebsmittels, dessen Preis ohnehin massiv gestiegen ist.

Die Mineralölsteuer-Rückvergütung von bis zu 50 Millionen Euro im Jahr wurde freilich eingeführt, als die Möst-Einnahmen noch für den Straßenbau zweckgewidmet waren, und argumentiert werden konnte, dass die Landwirte mit ihren Fahrzeugen nur in sehr geringem Maß das öffentliche Verkehrsnetz nutzen. Die Zweckwidmung ist mittlerweile Geschichte.

Im Programm der Bundesregierung ist festgehalten, dass es mehr Geld geben soll für den Agrardiesel. Die Bauern fahren nach wie vor im Wald und am Acker und benützen nicht die Straßen. Unsere Nachbarländer haben alle ähnliche Rückvergütungssysteme. Sollten wir davon abgehen, wäre das ein Wettbewerbsnachteil für unsere Landwirte.

Ein Vorschlag, bei dem sich auch  Landwirtschafts-Funktionäre verhandlungsbereit zeigen, ist die Besteuerung von Gewinnen aus Grundstücks-Umwidmungen. Sind auch Sie hier gesprächsbereit?

Über die Besteuerung von Umwidmungsgewinnen kann man diskutieren. Sie sehen: Die Landwirtschaft mauert nicht bei der Budgetsanierung. Wichtig ist jedoch, dass es ein schlüssiges Gesamtkonzept gibt.

Die SPÖ nimmt bevorzugt eine Kernklientel der ÖVP – eben die Bauern – aufs Korn, die ÖVP eine der SPÖ – nämlich die ÖBB. Was sagt das über das Klima in der Koalition aus?

Einer solchen Situation wie dem drohenden Kollaps einzelner Staaten der Eurozone ist noch kaum eine Koalition in Österreich ausgesetzt gewesen. Die Regierung muss sagen, dass es in Zukunft weniger Geld von der öffentlichen Hand gibt. Das ist eine Herausforderung, die die Koalition aber auch meistern wird.

Ist für Sie in Zusammenhang mit der Debatte über eine Schuldenbremse in Verfassungsrang die FPÖ ein möglicher Mehrheitsbeschaffer?

Eine Schuldenbremse in der Verfassung ist notwendig, einerseits um auch die Länder und Gemeinden einzubeziehen, andererseits um auch kommenden Regierungen eine generelle Linie vorzugeben. Es ist notwendig, dass auch die Opposition Staatsverantwortung übernimmt. Da die FPÖ im Parlament sitzt, ist es absolut in Ordnung, dass auch mit ihr verhandelt wird. Es gibt allerdings eine rote Linie, die nicht überschritten werden kann – wenn die FPÖ etwa einen Austritt aus der Europäischen Union  fordert, dann ist das undenkbar.

Die Wiener Stadtregierung will das Pendeln in die Stadt  mit dem Auto durch eine massive Verteuerung von Parkplätzen unattraktiv machen. Ist das – für Sie als Umweltminister – ein Schritt in die richtige Richtung?

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass wir im Verkehrsbereich die Kyoto-Klimaziele nicht erreichen. Ich setze aber eher auf positive Anreizsysteme. Wir betreuen Städte und Gemeinden beim Mobilitätsmanagement – etwa wenn es um E-Autos oder Radverkehrsprogramme geht. Man muss  Menschen motivieren und zu einem neuen Denken anregen.

Sie haben die Kyoto-Ziele angesprochen, die Österreich insgesamt deutlich verfehlen wird. Welche Strafzahlungen kommen da auf uns zu?

Genau genommen handelt es sich nicht um Strafzahlungen, sondern um den nachträglichen Kauf von CO2-Verschmutzungsrechten. Dabei gibt es zwei unbekannte Größen: Wir wissen noch nicht, wie weit wir Ende 2012 tatsächlich die gesteckten Ziele verfehlen, und wir wissen nicht, wie teuer dann die Tonne CO2 sein wird. Unsere Schätzungen gehen von einem Volumen von insgesamt etwa 600 Millionen Euro aus. Die ersten Zahlungen würden 2014/2015 fällig. Mit dem neuen Klimaschutzgesetz wird Klimaschutz für Bundes- und Landesstellen verbindlich. Wir sollten uns jetzt noch anstrengen, möglichst viel von Kyoto zu erreichen.

Muss  Österreich auch in Zukunft Strafzahlungen auf Basis der  ehrgeizigen Klimaziele der Vergangenheit leisten?

Jetzt in der Periode bis 2012 gibt es die klare Verpflichtung, entsprechende Nachkäufe zu tätigen. Dazu steht Österreich.

Nach dem kürzlich erfolgten Austritt Kanadas aus dem Kyoto-Abkommen haben Sie aber eine Debatte über das System der Strafzahlungen angeregt – und sind dafür heftig kritisiert worden.

Mir ist darum gegangen, dass wir über diese Situation reden müssen. Wenn quasi 5 vor 12 ein so großer Staat wie Kanada austritt, weil er Zertifikate für 10 Milliarden Euro  kaufen müsste, und man kann das nicht verhindern, muss man die richtigen Lehren daraus ziehen. Es geht darum, dass im kommenden Weltklimavertrag Sanktionen auf eine Weise festgeschrieben werden, damit sich nicht Länder knapp vor Schluss verabschieden, um den Sanktionen zu entgehen.

Sie haben die Weltklimakonferenz in Durban vor wenigen Wochen als historischen Durchbruch bezeichnet. Damit standen Sie ziemlich alleine da…

Im Vorfeld sind die Erwartungen gering gewesen, letztlich ist schon ein historischer Durchbruch dabei herausgekommen. Es ist eben nicht möglich, bereits einen fertigen verbindlichen Vertrag in ein paar Tagen auszuhandeln, aber wir haben einen klaren Fahrplan für ein neues Abkommen festgelegt, an dem sich auch Länder wie die USA, China und Indien beteiligen.

Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass diese Länder – die ja die größten Emittenten von Treibhausgasen sind – tatsächlich in einigen Jahren einen solchen Vertrag ratifizieren?

Die harte Arbeit beginnt jetzt, es wird sicher sehr schwierig. Fest steht, dass der Energiehunger enorm steigt. Wir erkennen an, dass sich China und Indien in einem wirtschaftlichen Aufholprozess befinden. Dennoch müssen diese Länder nicht die selben Fehler machen wie wir vor hundert Jahren. Sie haben jetzt moderne Technologien zur Verfügung. Klimaschutz ist eine Überlebensfrage. Da können sich auch die USA nicht davonstehlen.

Muss die EU ihre Strategie überdenken, als Musterschüler mit Selbstbeschränkungen voranzugehen und darauf zu hoffen, dass die anderen schon folgen werden?

Die Strategie der EU, Vorreiter zu sein, ist bisher nur bedingt erfolgreich gewesen. Allerdings hat uns das international viel Sympathie gebracht – etwa bei jenen Inselstaaten und ärmsten Entwicklungsländern, die besonders dramatisch vom Klimawandel betroffen sind. Wir wollen diese Allianz ausbauen und stärken.

Österreich erteilt dem Einfangen und Lagern von CO2 eine klare Absage. Verpasst man da nicht eine wichtige technologische Entwicklung?

Nein, weil es der falsche Weg ist. Diese Technologie ist völlig unausgereift und birgt unabschätzbare Gefahren. Wir müssen eher danach trachten, weg von fossilen Energieträgern zu kommen und erneuerbare Energie ausbauen.

Sie haben sich auch klar dagegen ausgesprochen, dass die OMV sogenanntes Schiefergas in Österreich fördert.

Die Abbaumethode von Schiefergas ist desaströs. Ich erteile dieser Technologie eine klare Absage. Auch die OMV hat gesagt, dass sie die derzeitige Technik nicht zum Einsatz bringen will. Man wird sehen, ob die Wissenschaft eine umweltschonende Fördervariante findet. Für mich ist Gas aber bestenfalls eine Zwischenlösung, bis das Potenzial an erneuerbarer Energie voll ausgebaut ist.

In Deutschland gab es zuletzt eine Pleitewelle bei Solarfirmen. Ist diese Branche nachhaltig zukunftsfähig?

Gerade hier ist es wichtig gewesen, viel Forschung zu betreiben. Es kann allerdings keine Dauersubvention geben. Photovoltaik muss billiger werden – wir brauchen hier mehr Wettbewerb.

Wie sehen Sie als Landwirtschaftsminister den jüngsten – von Italien ausgehenden – Bio-Lebensmittelskandal. Hätte Österreich hier etwas besser machen können?

In Österreich haben die Kontrollen funktioniert. Sicher gibt es bei solchen Vorkommnissen immer kurzzeitig einen Dämpfer, deshalb ist es wichtig, rasch wieder das Konsumentenvertrauen zurückzugewinnen.
Es gibt Beschwerden darüber, dass Lebensmittel in Österreich teurer sind als etwa in Deutschland.
Ich sehe es kritisch, wenn eine Geiz-ist-Geil-Mentalität Einzug hält. Ich will nicht preistreiben, aber Qualität hat eben ihren Preis. Die Produzenten sind unter einem gewaltigen Preisdruck durch die Supermärkte. Das muss man schon auch kritisch sehen. Die Supermärkte gehen in Richtung Eigenmarken. Ich sehe den Handel als wichtigen Partner und ich will ein vernünftiges Miteinander, wo jeder seinen fairen Anteil bekommt – der Bauer, die Lebensmittelverarbeiter und auch der Handel.

Sie haben die Eigenmarkenpolitik angesprochen. Sichert sich damit der Handel nicht die Macht über die komplette Wertschöpfungskette?

Ich sehe Eigenmarken dann kritisch, wenn sie mit einem Qualitätsverlust einhergehen. Österreichische Lebensmittel stehen für eine hohe Qualität, und das muss auch bei Eigenmarken gesichert sein.