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Ex-Immofinanz-Boss Petrikovics schießt sich auf Staatsanwalt ein

Von Kid Möchel

Wirtschaft

Zurückweisung der Anklage beantragt, damit Ermittlungen ergänzt werden.


Wien. Rund um das Immofinanz-Strafverfahren zeichnet sich ein rechtlicher Schlagabtausch ab. Wirtschaftsstrafrechtsprofessor Wolfgang Brandstetter und Otto Dietrich, Verteidiger des ehemaligen mutmaßlichen "Immofinanz-Diktators" Karl Petrikovics (O-Ton Anklage) zerpflücken in ihrem neuseitigen Anklageeinspruch das Ermittlungsverfahren von Staatsanwalt Volkert Sackmann.

Die Verteidiger beantragten "die vorläufige Zurückweisung der Anklage, damit offene Ermittlungen, die im Sinne der Objektivitätsverpflichtung notwendig sind, nachgeholt werden können".

"Schon aufgrund der Anklageschrift selbst (...) ist die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens zu erkennen, zumal die Staatsanwaltschaft die im Vorverfahren gestellten Beweisanträge, die zur Entlastung gedient hätten, beharrlich ignoriert hat, obwohl der erste Beweisantrag bereits im Juli 2009 eingebracht wurde", heißt es in dem Einspruch, welcher der "Wiener Zeitung" vorliegt. "Die Nichterledigung der Beweisanträge im Vorverfahren würde unnötigerweise das Hauptverfahren belasten, und es wäre auch zumindest gegenüber den Richtern unfair und nahezu unzumutbar, mit großem Aufwand erst in der Hauptverhandlung jene Beweisanträge durchzuführen, die mit viel weniger Aufwand und verfahrensökonomisch sinnvollerweise im Vorverfahren erledigt werden könnten."

Neben Anwalt Georg Zanger, der den Ex-Aufsichtsrat Helmut Schwager vertritt, behaupten auch Brandstetter und Dietrich, dass die Anklage "voreilig bei Gericht eingebracht wurde". Zur Erinnerung: Karl Petrikovics, Norbert Gertner, Helmut Schwager und Christian Thornton wird in der Anklage Untreue und dem Steuerberater Ernst Hable Beihilfe dazu vorgeworfen. Der Schadenssaldo soll bei Petrikovics 7,676 Millionen Euro, bei Gertner 5,118 Millionen Euro und bei Schwager 5,167 Millionen Euro betragen. Alle bestreiten die Vorwürfe.

Fehler in der Anklage?

Zurück zum Einspruch: Das Verteidiger-Duo wirft dem Staatsanwalt "eine nicht nachvollziehbare Berechnung des angeblichen Schadens vor" - auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Gerhard Altenberger.

So soll sich ein Schadensbetrag innerhalb von vier Seiten um einige Euro erhöht haben; auch soll ein Mitarbeiterrabatt bei der Ausübung von Aktienoptionen zuerst falsch berechnet, dann völlig ignoriert und später "ein weiterer Schaden im Ausmaß des Rabattes" berechnet worden sein. Detail am Rande: Eine Erklärung für diese Berechnung könnte sein, dass der Staatsanwalt die Verantwortung von Petrikovics und Gertner, ihr Aufsichtsrat hätte ihre lukrativen und auf Pump finanzierten Aktienkäufe per Beschluss im März 2003 genehmigt, überhaupt als null und nichtig ansieht.

Doch Zinsen gezahlt?

Auch wollen die Beschuldigten für ihre umstrittenen Aktienoptionsgeschäfte und die dafür von der Immofinanz zur Verfügung gestellte Finanzierung Zinsen bezahlt haben. "Tatsächlich wurden entsprechend den Vereinbarungen Zinsen in Höhe von 1,66 Millionen Euro für die Finanzierung zu unseren Lasten abgezogen", behauptet Petrikovics im Einspruch. "Woraus schon die Behauptung widerlegt ist, es wäre mir und zwei der Mitbeschuldigten nur darauf angekommen, uns unrechtmäßig zu bereichern." Diese Zinsabzüge habe die Staatsanwaltschaft bei ihrer Berechnung unterlassen.

Außerdem beklagen die Verteidiger Brandstetter und Dietrich, dass ihnen diverse Schriftstücke aus dem Strafakt entweder verspätet, lückenhaft oder gar nicht übermittelt worden sind. So habe der Ankläger am 21. April 2009 bei der Sachverständigen Doris Wohlschlägl-Aschberger ein Gutachten über die Marktkonformität von gewissen Wertpapiertransaktionen in Auftrag gegeben, aber bis heute liege dieses Werk den Verteidigern nicht vor. Wie berichtet, muss jetzt ein Richtersenat des Oberlandesgerichts Wien über die Anklage entscheiden. Feststeht aber jetzt schon, dass der Anklageeinspruch die Diskussion über die neue Strafprozessordnung, mit der der Untersuchungsrichter abgeschafft und der Staatsanwalt Alleinherrscher über das Ermittlungsverfahren wurde, neu anheizen wird.