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Rewe mit Kartellhütern im Clinch

Von Kid Möchel

Wirtschaft

Tag sieben bei Hausdurchsuchungen - Rewe bestreitet "aggressives Verhalten".


Wiener Neudorf. Bei den Hausdurchsuchungen wegen angeblicher Preisabsprachen bei der Lebensmittelhandelskette Rewe International in Wiener Neudorf stehen die Zeichen auf Eskalation. Am siebten Tag der Vor-Ort-Durchsuchung beklagte Stefan Keznickl, Ermittlungsleiter der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), das "aggressive Verhalten von Anwälten und Rewe-Mitarbeitern", von Kooperation könne keine Rede sein.

"Es ist uns ein sehr aggressives Klima entgegengekommen, uns wurden Notebooks aus der Hand gerissen, die Stecker wurden aus der Steckdose herausgezogen, unsere Mitarbeiter wurden fotografiert und wir wurden wegen angeblich kaputter Kopierer in die Irre geführt", schilderte Keznickl am Montag die Erlebnisse. Mitunter sei es durch das aggressive Verhalten auch zu "Körperkontakt gekommen". BWB-Generaldirektor Theodor Thanner fügte hinzu: "Es hat mich sehr betroffen gemacht, wie es meinen Leuten bei Rewe ergangen ist, weil man versucht, ihre Tätigkeit zu erschweren."

Auch den ÖVP-Mann Thanner, der sich für die nächsten fünf Jahre als BWB-Chef bewirbt, versuchten Rewe-Anwälte auf sehr plumpe Art "einzuschüchtern". In einem Fax wurde Thanner mitgeteilt, dass Rewe alle rechtlichen Mittel bis hin zu Strafbestimmungen ausschöpfen werde, falls Thanner etwaige Ergebnisse der Hausdurchsuchung (der Presse) preisgebe, somit die Amtsverschwiegenheit verletze, und Rewe ein Schaden entstehe.

"Ich lasse mich nicht mundtot machen", gibt sich Thanner kämpferisch. Bisher hat die BWB (noch) nichts gegen Rewe in der Hand. Denn die sichergestellten bzw. kopierten Unterlagen wurden auf Antrag der Rewe versiegelt und dem Kartellgericht übergeben. Jetzt liegt es an der Justiz, die Unterlagen der BWB freizugeben.

Begründeter Verdacht

Der begründete Verdacht von Preisabsprachen zwischen Rewe und Lieferanten und über Lieferanten, den das Kartellgericht mit der Durchsuchungsanordnung am 3. Februar untermauerte, steht nach wie vor im Raum. Laut Thanner betreffe dieser Verdacht "alle Produktgruppen". "Wir ermitteln seit Sommer 2011 aufgrund von Beschwerden, Zeugenaussagen und Unterlagen, die wir haben", sagt Thanner. Rewe habe damals alle Auskünfte verweigert, Zeugenladungen von Rewe-Mitarbeitern seien "massiv hintertrieben worden". Als Verdachtsbeispiel führt Thanner Rabattaktionen ins Feld, bei denen preisgebundene Waren, wie Tchibo-Eduscho-Kaffee, ausgenommen wurden. In diesem Fall müsse aber noch geklärt werden, ob Rewe auf eigene Rechnung den Kaffee verkaufe oder nur als Handelsvertreter für Eduscho fungiere. Detail am Rande: Im schlimmsten Fall droht Rewe eine Kartellstrafe von zehn Prozent des Konzernumsatzes (11,84 Milliarden Euro brutto).

Bierbrauer verknackt

Indes bestreitet Rewe jegliches aggressive Verhalten. "Wir waren von Anfang an kooperativ und haben der BWB Zugang zu allen Dokumenten und Daten gewährt", kontert Rewe-International-Sprecherin Corinna Tinkler. "Leider ist die Behörde nicht besonders koordiniert vorgegangen und musste Belege und Ordner mehrmals sichten." Dieses Vorgehen der BWB behindere den Geschäftsbetrieb der Rewe.

Zu einem anderen Fall. Ende Februar hat die BWB die Causa "Fassbierboykott" von Cash & Carry-Märkten durch Brauereien beendet. Seit 1999 hatte der Brauverband die C&C-Märkte von der Belieferung ausgeschlossen. Der "wettbewerbswidrige Boykott" wurde beendet. Die BWB verhängte 1,11 Millionen Euro Bußgeld, davon entfallen 750.000 Euro auf die Brau Union, 190.000 Euro auf Ottakringer und 170.000 Euro auf Stiegl. Und in Sachen Speditionskartell werden zwei Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs abgewartet.

Die Einschätzung der BWB zur geplanten Übernahme des Mobil-Anbieters Orange durch "3" (Hutchison) hat sich hingegen nicht geändert.

Mobilfunk-Deal: "so nicht"

"Der Deal ist schwer vorstellbar", sagt Thanner. Damit der Deal klappt, will Hutchison die Orange-Wertkartensparte Yesss (750.000 Kunden) an A1 abtreten. Das geht laut Thanner aber so nicht. Der A1-Marktanteil würde von 42 auf 47 Prozent steigen. Für den Yesss-Deal ist die BWB zuständig, für Orange-Hutchison die EU-Kommission.