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Wegwerfen war gestern

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Die Second-Sale-Kultur als neue Herausforderung für den Handel.


Wien. Moritz Bleibtreu hasst Secondhand-Kleidung. "Ich bin als Kind nur in Rotkreuzklamotten rumgelaufen, für acht Mark das Kilo", verriet der deutsche Schauspieler kürzlich in einem Interview. Bleibtreus Abneigung ist angesichts des frühkindlichen Traumas - "es roch alles so dachbodenmäßig" - zwar verständlich, wirklich zeitgemäß ist der Mime damit aber nicht.

"Kaufen und besitzen ist nicht alles. Teilen, nutzen und wieder in Verkehr bringen sind die Spielarten des Konsumierens der Web-
2.0-Generation", davon sind die Trendforscher des Zukunftsinstituts überzeugt. Die Second-Sale-Kultur hat nichts mit Trödelläden, dafür aber viel mit bewusstem Konsum, Ressourcenschonung und Abfallvermeidung zu tun.

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Der Grund: Immer mehr Menschen verlangen heute nach kreislaufartigen und nachhaltigen Handelsprinzipien. "Hier ist ein grundlegendes Umdenken angesagt", ist Janine Seitz vom Zukunftsinstitut überzeugt. "Der Kunde fordert nicht mehr nur Transparenz im Herstellungsprozess. Der Handel muss zunehmend Verantwortung für Produkte übernehmen, die bereits über die Ladentheke gegangen sind."

Dass gebrauchte Waren im Trend sind, ist nicht zuletzt der Internetbörse eBay zu verdanken. Sie hat die Mechanismen von Auktionshäusern und Flohmärkten so erfolgreich aufs World Wide Web übertragen, dass immer mehr gewerbliche Händler eBay als Verkaufsplattform für neue Produkte zu festen Preisen nutzen. Ein Imageproblem hat dabei offenbar niemand. "Es ist momentan noch die Avantgarde, die voranprescht, gebrauchte Produkte mit einer exklusiven Aura zu versehen", sagt Seitz. "Das kommt aber auch den traditionellen Second-Hand-Läden zugute."

Ein weiteres Phänomen der Second-Sale-Kultur ist, dass Produkte immer öfter dorthin zurückkehren, wo der Kunde sie einst in Empfang genommen hat - zum Point of Sale (PoS). Das französische Jeans-Label A.P.C. hat auf diesen Trend reagiert. Dort nimmt man getragenen Jeans zurück, "veredelt" sie mit den Initialen des ursprünglichen Besitzers und verkauft sie weiter. Seitz: "Second-Sale heißt, gebrauchte, aber intakte Produkte wieder in den Handelskreislauf rückzuführen." Der japanische Moderiese Uniqlo betreibt bereits seit zehn Jahren "All-Product-Recycling". Dabei werden gebrauchte Waren zurückgenommen und gut erhaltene Textilien an die Flüchtlingsorganisation UNHCR gespendet. Der Rest wird recycelt. Unternehmen, die auf diese Weise Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte übernehmen, schaffen Vertrauen und mehr Kundenbindung.

Alt gegen Neu

Auch die Marketingstrategie "tausche Alt gegen Neu" ist Teil des Second-Sale-Trends. Ein Beispiel: Wer sich für ein neues Besteck der Marke WMF interessiert, kann derzeit sein altes Besteck "in Zahlung" geben und bekommt pro Stück einen Euro Rabatt. "Diese Alt-gegen-Neu-Aktionen sind im Grunde ein Lockmittel, um die Kunden zum Kauf eines neuen Produktes zu animieren", sagt Seitz. "Was mit dem gebrauchten Produkt passiert, war bisher zweitrangig. Das wird sich in Zukunft aber radikal ändern."

Und warum lädt der Möbelriese Ikea zu Möbeltauschbörsen, sogenannten Swap-Partys? Seitz: "Beim Swapping am PoS stehen der Spaß und der kommunikative Austausch im Vordergrund." Und nicht zuletzt die Erkenntnis, dass, wer tauscht, nicht zwangsläufig aufs Konsumieren vergisst. Schließlich braucht man bei der Umgestaltung der eigenen vier Wände meist auch neue Wohnaccessoires - und die gibt es bei Ikea gleich vor Ort.