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Datenleck am Landesgericht Wr. Neustadt

Von Kid Möchel

Wirtschaft
Vertrauliche Gerichtsdaten im Internet: AvW-Kläger von Gericht fahrlässigerweise geoutet.
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Hunderte Namen von AvW-Anlegern und Gerichtsbeschlüsse im Internet. | Anlegeranwälte orten Datenschutzverletzung und bringen Beschwerde ein.


Wiener Neustadt. Das Landesgericht Wiener Neustadt hat bei den Sammelklagen gegen den Ex-AvW-Wirtschaftsprüfer Moore Stephens Ehrenböck mit Sitz in Gloggnitz ein massives Datenschutzproblem. Unter der Internet-Adresse 5n0w.net bzw. über Google sind Daten von Hunderten AvW-Anlegern, ihre Forderungen, die Namen ihrer Anwälte und die Gerichtsbeschlüsse über Verfahrenszusammenlegungen öffentlich einzusehen. "Wir haben das entdeckt, wir sind aus dem Schaudern nicht mehr herausgekommen", sagt AvW-Anlegeranwalt Erich Holzinger, der mit seinem Kollegen Michael Bauer rund 900 Geschädigte mit etwa 32 Sammelklagen vertritt. "Eine Klientin hat uns am 6. März angerufen und gesagt, warum sie, wenn sie im Internet ihren Namen in die Google-Suchmaschine eintippt, in einer Klage am Gericht in Wiener Neustadt aufscheint." Bauer und Holzinger sind dann dem Datenleck im Web auf den Grund gegangen und haben besagte Gerichtsdokumente heruntergeladen.

"Wir kannten dadurch die Gerichtsbeschlüsse schon aus dem Internet, bevor wir sie vom Gericht zugestellt erhielten", sagt Bauer zur "Wiener Zeitung". "Ich glaube nicht, dass hier vorsätzlich gehandelt wurde, aber so etwas darf nicht passieren."

Datenschutz-Desaster

Wer über die Suchmaschine Google zum Beispiel den Namen "Holzinger" und "MSE" für die gerichtliche Aktenverwaltung eintippt, konnte am Dienstag die Daten eines Anleger-Ehepaars aus Stein an der Enns abrufen, die per Klage vom Ex-AvW-Wirtschaftsprüfer 30.782,50 Euro einfordern. Auch Josef U. (Streitwert: 102.480 Euro), Marina M-D. (Streitwert: 8119 Euro), Erich N., Josef D., Helga P. und Hunderte weitere Anleger finden sich in den Suchergebnissen zu 5n0w.net/beschluss/.

Die "Wiener Zeitung" konfrontierte die Wiener Neustädter Landesgerichtspräsidentin Ingeborg Kristen mit dem Datenleck, die davon nichts wusste. Sie kontaktierte Richter Peter Wöhrer, der besagte interne Homepage konzipierte: "Willkommen beim Aktenverwaltungssystem für die Massenverfahren AvW vs. Wirtschaftsprüfer", hieß es auf der Seite "MSE Akten Verwaltung", die infolge der Recherchen der "Wiener Zeitung" abgeschaltet wurde.

Richter Wöhrer suchte am Dienstag eine Erklärung für die desaströse Datenschutzpanne. "Eine meiner Vermutungen ist, dass es diese Adresse 5n0w.net gegeben hat, für die es eine alte Registernummer gibt. Sie ist aus welchen Gründen auch immer nicht gelöscht worden", sagt Richter Peter Wöhrer zur "Wiener Zeitung". Er nimmt daher an, dass die neue interne IP-Adresse für die "MSE Aktenverwaltung" am Server direkt zu der alten Adresse 5n0w.net führt. Trotz Blockierung der Homepage können die Daten weiterhin über Google abgerufen werden. Wöhrer: "Wenn es eine alte Verlinkung mit Google gibt, dann hat Google eben auf dieser Adresse wieder vorbeigeschaut."

Indes hat AvW-Anlegeranwalt Bauer am Dienstag die Datenschutzverletzung beim Landesgericht Wiener Neustadt angezeigt, Auskunft über das datenschutzwidrige Vorgehen eines Organs der Gerichtsbarkeit und die Löschung der unzulässigerweise verarbeitenden Daten verlangt.