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Scheinfirma am Bau enttarnt

Von Kid Möchel

Wirtschaft
Effektiver Außendienst: Die Kontrolleure der Gebietskrankenkasse machen einen guten Job.

Die Wiener Gebietskrankenkasse kämpft gegen Sozialbetrug - ein Lokalaugenschein.


Wien. Dienstag, 8.30 Uhr, an der Ecke Taubergasse/Hernalser Hauptstraße im siebzehnten Wiener Gemeindebezirk. Drei Mitarbeiter des Erhebungsdienstes der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und ihr Chef Ernfried Jaklitsch, Vize-Abteilungsleiter des Bereichs Beitragsprüfung, besprechen letzte Details. Fünf Baustellen haben die Kontrolleure auf der Suche nach Schwarzarbeitern im Visier. Flink werden die gelben "Warnwesten" mit der roten Aufschrift "WGKK" über die Jacken gezogen und weiße Bauarbeiterhelme aufgesetzt. Dann geht es los. Die erste Baustelle, eine Baugrube einer "Krankenanstalt", wird gefilzt. Zwei Ermittler erkunden den Außenbereich, der Dritte überprüft im Baucontainer zweier oberösterreichischer Firmen die Personalien.

"Wir schauen, ob diese Personen bei uns versichert sind und ob die Anmeldung für die richtige Firma eingegangen ist", sagt Jaklitsch zur "Wiener Zeitung". "Die wandern oft in wenigen Wochen von einer Firma zu anderen. Wenn wir den Versicherungsverlauf und die Firmen sehen, dann wissen wir schon ungefähr Bescheid." Nachsatz: "Wenn wir aber feststellen, dass der Mitarbeiter nicht angemeldet ist, führen wir eine Nachmeldung durch. Wenn es eine dubiose Firma ist, schauen wir, wer dahintersteckt." Das Ergebnis der ersten Station: Die Baustelle ist sauber. Dennoch landen die Ermittler einen Volltreffer. Denn: Ihnen wird von der Bauleitung mitgeteilt, dass heute, Mittwoch, als Subauftragnehmer für den Stahllieferanten eine ganz bestimmte Personalbereitstellungsfirma Verlegungsarbeiten durchführen wird.

Scheinfirma aufgedeckt

"Die besagte Personalbereitstellungsfirma kennen wir sehr gut. Die Firma hat zwar in der Hernalser Hauptstraße offiziell ihren Sitz, aber eine Delogierungsklage wegen Mietschulden wurde bereits eingebracht. Der Geschäftsführer wohnt angeblich in einem Geschäftslokal in der Wilhelminenstraße, das aber auch leer steht", erzählt ein Ermittler. "Die Firma hat seit Februar etwa 1500 Dienstnehmer angemeldet, ist aber wirtschaftlich nicht tätig und auch nicht vorhanden." Nachsatz: "Der Geschäftsführer ist ein Slowake, der zumindest auf dem Papier existiert." Jaklitsch fügt hinzu, dass die Krankenkasse gerade prüfe, ob diese Person real existiere oder jemand mit einem gefälschten Ausweis Firmen gründet.

"Diese Firma ist wie ein Container. Sie erlaubt anderen Partieführern, die Arbeiter auf ihren Namen anzumelden, und die ersparen sich die Abgaben", erklärt Jaklitsch. "Wenn die Partieführer pro Mann 300 Euro für die Anmeldung an die Hintermänner zahlen, dann kassieren die Hintermänner bei 1500 Anmeldungen viel Geld." "Hier geht es um organisierten Sozialbetrug", wirft ein Ermittler ein.

Heute, Mittwoch, wird die Eingreiftruppe der WGKK auf dieser Baustelle in Wien-Hernals wieder vor Ort sein. Eine gute halbe Stunde später geht es zu einer Baustelle eines Wiener Baukonzerns in der Rötzergasse. Hier sind Schaler und Eisenbieger am Werk. Die Kontrolleure entdecken eine Betretung, das heißt ein Mitarbeiter einer Subfirma ist tatsächlich (noch) nicht bei der Krankenkasse gemeldet. Das Gesetz verlangt aber eine Anmeldung vor Arbeitsantritt. Wenige Minuten nach einem Telefonat der Bauleitung mit der Subfirma registriert einer der Ermittler auf seinem Dienstcomputer die nachträgliche Anmeldung. Aber der Subfirma steht eine Strafe ins Haus. Zwanzig Minuten später geht es zur nächsten Baustelle.

Doch den Ermittlern sticht auf dem Weg dorthin ein Dachbodenausbau in der Lacknergasse ins Auge. Sie schieben eine Überprüfung ein. Hier ist alles in Ordnung, die Arbeiter begrüßen das Vorgehen gegen unlautere Wettbewerber. "Macht’s mehr Kontrollen", sagt ein Zimmerer. Zugleich erhalten die WGKK-Mitarbeiter einen Tipp über eine Baufirma, die um die Ecke angesiedelt ist und Schwarzarbeiter beschäftigen soll. Sie kommt auf die Beobachtungsliste. Gegen zehn Uhr wird eine Altbausanierung in der Hormayrgasse zum Ziel. Alle fünf Bauarbeiter können ihre Sozialversicherungsanmeldung nachweisen. Wie auf allen anderen Baustellen ist auch hier der Ton freundlich, die Kontrollen sind für die Arbeiter Routine. Um 10.30 Uhr wird ein Dachbodenausbau in der Antonigasse unter die Lupe genommen. Ein bulgarischer Arbeiter ist nicht angemeldet. Die Kontrolleure teilen dem Firmenchef telefonisch die Rechtslage mit und laden ihn zur Klärung des Falles in die WGKK-Zentrale. Fakt ist: Die Kontrollen zahlen sich aus. Im Vorjahr hat die WGKK 4000 Kontrollen durchgeführt und rund 14 Millionen Euro daraus eingenommen.