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Kritik an neuer Meldeschwelle

Von Kid Möchel und Stefan Melichar

Wirtschaft

Anlegerschützer Rasinger geht mit neuer Regelung hart ins Gericht.


Wien. Der Ministerrat hat am Dienstag eine Änderung im Börsegesetz abgesegnet, die "mehr Transparenz am Kapitalmarkt bringen" soll. So wird die unterste Meldeschwelle für den Erwerb von Stimmrechtsanteilen an börsennotierten Unternehmen um ein Prozent auf vier Prozent gesenkt. "Dem schleichenden Aufbau von Beteiligungen wird mit dem neuen Börsegesetz ein Riegel vorgeschoben", meint Finanzstaatssekretär Andreas Schieder. "Die Meldepflicht wurde damit entscheidend ausgeweitet und die Transparenz erhöht." Die neuen, niedrigeren Meldeschwellen gelten nun auch für den Besitz von anderen Finanzinstrumenten, wie etwa Derivate, aus denen sich ein Stimmrecht ergeben kann."

Die Meldepflicht für den Erwerb und Verkauf von Aktien beginnt nun mit vier Prozent, ab fünf Prozent bis 50 Prozent werden in Fünf-Prozent-Schritten weitere Meldepflichten ausgelöst; dann gibt es nur noch zwei Meldepflichten: bei 75 und 90 Prozent. Im Nachbarland Deutschland, von dem hierzulande viele Gesetze abgekupfert werden, ist man schon länger etwas strenger, aber auch in der Schweiz, in Tschechien, Irland und Großbritannien, wo die Meldeschwelle drei Prozent beträgt; in Italien und Portugal sogar zwei Prozent. Und in Frankreich haben 95 Prozent der börsennotierten Unternehmen in ihren Satzungen Meldeschwellen von ein bis zwei Prozent verankert.

Eine untere Meldepflicht-Latte bei zwei bis drei Prozent fordern seit Jahren nicht nur Anlegerschützer, sondern die Finanzmarktaufsicht und die Übernahmekommission haben sich bereits 2007 im Zuge einer Initiative der damaligen Justizminister Maria Berger für eine Absenkung der Mindesthürde auf zwei bis drei Prozent ausgesprochen. Auch Wilhelm Rasinger vom Interessenverband für Anleger (IVA) fordert eine deutliche Ansenkung. Er kritisiert die neue Meldepflicht auffällig hart.

"Fauler Kompromiss"

"Das ist ein mieser, fauler Kompromiss, der nichts bringt, außer dass man sagen kann, man hat etwas getan", echauffiert sich Rasinger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Das Mindeste wäre gewesen, die Meldepflicht auf zwei oder drei Prozent zu senken. Ich weiß aber nicht, wer das Interesse hatte, sich dagegen zu stemmen, und wem man dabei wieder entgegengekommen ist und eine Freude macht." Nachsatz. "Ich verstehe nicht, warum wir in Österreich immer hinter den Bestimmungen in Deutschland und in Europa nachhinken müssen." Laut Rasinger wäre es auch wichtig gewesen, eine 85-Prozent-Schwelle einzuführen, da die Queeze-out-Schwelle in Österreich bei 90 Prozent liegt. Bei Erreichen dieser Schwelle können die Minderheitsaktionäre zwangsweise "hinausgedrängt" werden. In Deutschland liegt die Queeze-out-Schwelle erst bei 95 Prozent der Stimmrechtsanteile.

Warten auf Bilanzpolizei

Weiter aufgeschoben dürfte unterdessen die - seit Jahren debattierte - Einführung einer sogenannten Bilanzpolizei sein, die unabhängig vom Abschlussprüfer die Bilanzen börsennotierter Firmen nach bestimmten Gesichtspunkten unter die Lupe nehmen soll. Die SPÖ will die Bilanzpolizei bei der Finanzmarktaufsicht ansiedeln, die ÖVP präferiert ein zweistufiges Modell, bei dem zunächst ein Gremium aus Wirtschaftsprüfern zum Einsatz kommt. Dem Vernehmen nach will sich die Regierung zu dieser Frage nun ein Gutachten erstellen lassen. Österreich hinkt bei der Einrichtung einer Bilanzpolizei anderen europäischen Staaten seit Jahren hinterher.