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"Churn": Kunden vom Absprung zurückhalten

Von Kornelia Kopf

Wirtschaft
Bestehende Kunden ans Unternehmen binden: Das bringt mehr, als neue Kunden zu gewinnen.
© © mdworschak - Fotolia

Bestehende Kontakte müssen aber auch gepflegt werden.
| Auf dem unbeweglichen Markt der Banken will man Kündigung vermeiden.


Wien. Prinzipiell wechseln die Österreicher nicht gerne ihre Bank. Wenn sie es aber doch tun, dann schmerzt es die Geldinstitute oft umso mehr. Große Unternehmen investieren deshalb in "Churn Management", eine anglo-amerikanische Wortneuschöpfung aus "change" und "return". Gemeint sind Maßnahmen, die die Abwanderung von Kunden verhindern soll.

Als Bank dürfe man nämlich nicht den Fehler machen, vor allem Wert auf Akquise zu legen und dabei die Kundenbilanz zu übersehen, warnt Josef Holböck von Raiffeisen Analytik: "Bei der Analyse der Statistiken haben wir auch bei Raiffeisen gesehen, dass der Kundenverlust die Akquise zusammenstutzt und netto nicht mehr viel übrig bleibt."

Dabei ist Neuwerbung viel teurer und aufwendiger, ebenso wie "Retention"-Maßnahmen, das Zurückgewinnen von ehemaligen Kunden. Deshalb gerät ein Kunde bereits dann ins Visier von Werner Widhalm, Chef der Abteilung "CRM & Research" der Bank Austria, wenn er ein Hauptgeschäft kündigt - nicht erst mit der technischen Abwanderung.

Widhalms Aufgabe ist die "Churn Prediction". Er analysiert ausgetretene Kunden und ihre Entwicklung in den letzten drei Monaten. Ziel ist es, auf diese Weise statistische Profile von Kunden zu erstellen, die drei Monate später kündigen werden. "Zu diesem Zeitpunkt habe ich noch die Möglichkeit, mit dem Kunden in Kontakt zu treten. Ideal wäre, ihn zu erwischen, bevor er überhaupt weiß, dass er abwandern wird", betont Widhalm.

Die drei wichtigsten Variablen im Computermodell sind laut Widhalm: Inaktivität, Kündigung eines Geschäfts, Alter von über 63 Jahren. Insgesamt berücksichtigt das Modell 2500 Variablen. Einen typischen Kunden kurz vor dem Absprung charakterisiert Widhalm so: "Er ist länger als 30 Jahre bei der Bank, wenig mit ihr verflochten und hatte das letzte Mal vor mehr als einem Jahr Kontakt mit seinem Betreuer, der außerdem in der Vergangenheit häufig gewechselt hat."

Computer identifiziert Abwanderungsgefährdete

Einmal im Monat werden alle Kunden durchgescannt. Identifiziert das Modell dabei abwanderungsgefährdete Kontoinhaber, wird ein Callcenter damit beauftragt, diese zu fragen, ob sie zufrieden sind, berichtet Widhalm. "90 Prozent der Fälle werden durch das Call Center erledigt."

Die Bedeutsamkeit von Churn Management im Bankenwesen erklärt ein Blick auf die Statistik: Der Markt ist nicht gerade beweglich. Laut Alexander Zeh von GfK Austria haben 4,9 Millionen Österreicher nur eine Bankverbindung - vom Giro-Konto bis zum Bausparer veranlagen sie ihr Geld bei einem einzigen Institut.

"Finanzdienstleistungen sind in Österreich ein ‚low-involvement‘-Produkt", betont Zeh. Nur jeder Siebente, der daran denkt, die Bank zu wechseln, tut es auch. Zum Vergleich: Während etwa 100.000 Österreicher ihre Bank im Vorjahr gewechselt haben, planen 250.000, ihren Handyanbieter heuer zu verlassen.

Natürlich ist auch bei Mobilfunkanbietern "Churn" ein Thema: Die Firma 3 setzt auf Kontaktaufnahme mit den Kunden vor Ende der zweijährigen Bindungsfrist. "Unsere Absprungrate beträgt nur ein Prozent", berichtet Unternehmenssprecherin Maritheres Paul. Beim Mitbewerber T-Mobile werden aktive Maßnahmen ambivalent gesehen. "Viele Kunden sind ohnehin zufrieden, auch wenn wir lange nichts von ihnen gehört haben. Diese wollen wir nicht unnötig belästigen. Wir warten eher auf ein Signal vom Kunden und machen ihm erst dann ein Angebot", erklärt Helmut Spudich, T-Mobile-Unternehmenssprecher. Außerdem setze man auf Kundenbindung mit Treuepunkten und regelmäßigen Angeboten neuer Geräte.

Wenn alle Churn-Maßnahmen nicht gefruchtet sind, fragt die Bank Austria per E-Mail nach den Kündigungsgründen, berichtet Widhalm. Hier geht es vor allem darum, den Kunden zu zeigen, dass der Abgang registriert wurde - und so einen positiven Eindruck zum Abschied zu hinterlassen.