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Selbständige sorgen vor

Von Petra Tempfer

Wirtschaft

36.000 steckten sich Gesundheitsziele für Halbierung des Selbstbehalts.


Wien. Nicht die Verwaltung von Krankheit, sondern die Förderung der Gesundheit: Das soll künftig die neue Philosophie der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) sein, sagte deren Obmann, Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, am Donnerstag vor Journalisten. Anlass war die Präsentation der Halbjahresbilanz des SVA-Vorsorgeprogramms, das am 1. 1. gestartet ist. Die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen bei den Selbständigen ist seitdem um rund 43 Prozent gestiegen, so Leitl.

Weniger Selbstbehalt für weniger Bauch: Abnehmen ist eines der SVA-Gesundheitsziele.
© © Jasmin Merdan - Fotolia

Ziel des Programms ist, dass Selbständige im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung mit ihrem Arzt bestimmte Gesundheitsziele vereinbaren, wobei das Hauptaugenmerk auf Blutdruck, Gewicht, Bewegung, Tabak und Alkohol liegt. Der Anreiz, diese Ziele zu erreichen: Wer seine Werte in diesen Bereichen verbessern kann, zahlt zwei bis drei Jahre lang (vom Alter abhängig) nur noch 10 statt 20 Prozent Selbstbehalt, dann ist die nächste Untersuchung fällig. Notwendig für die Selbstbehalt-Halbierung ist die Bestätigung des Arztes, dass der Versicherte die Gesundheitsziele erreicht hat, was frühestens ein halbes Jahr nach deren Festlegung möglich ist.

Bisher haben sich rund 36.000 der mehr als einer halben Million Selbständigen solche Ziele gesetzt und eine Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen. Wie viele ihre Gesundheitsziele tatsächlich erreichen, soll laut geschäftsführendem SVA-Obmann Peter McDonald am Ende des Jahres bekannt gegeben werden. Auch die Kosten für das Programm konnte er noch nicht beziffern. Derzeit kommen bei der SVA über den Selbstbehalt jährlich 52 Millionen Euro herein - eine Halbierung bedeutet Verluste. "Allerdings nur anfangs. Langfristig ist das Vorsorgeprogramm eine Investition in die Volksgesundheit", sagte McDonald. Für das erste Jahr habe die SVA 2,5 Millionen, für das zweite fünf Millionen Euro rückgestellt.

Arztbestätigung genügt

Doch wird die Rechnung tatsächlich aufgehen? Genügt eine Bestätigung des Hausarztes, dass sein zumeist langjähriger Stammpatient die Gesundheitsziele erreicht hat - oder birgt das die Gefahr von Graubereichen, zum Beispiel, dass sich Arzt und Patient verbünden? "Freilich wird es immer eine gewisse kriminelle Energie in der Bevölkerung geben, sowohl vonseiten der Versicherten als auch vonseiten der Ärzte", meint dazu Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer zur "Wiener Zeitung". "Für die Volksgesundheit ist das aber belanglos. Es geht darum, dass Gesundheitsbewusstsein verbreitet wird und mehr Menschen Vorsorgeuntersuchungen durchführen lassen - und ich bin überzeugt, dass das durch die Maßnahmen erreicht wird."

Dass der Selbstbehalt einmal ganz abgeschafft wird, wäre allerdings nicht im Sinne Leitls. "Der Selbstbehalt hat eine steuernde Funktion: Man geht wirklich nur dann zum Arzt, wenn es dringend notwendig ist." Statistiken untermauern seine Aussage: Selbständige gehen im Schnitt drei Mal im Jahr zum Arzt, Beamte viermal und Unselbständige, die keine Selbstbehalte bezahlen, fünfmal.

Leitl will also am Selbstbehalt festhalten. Bei der seit Mitte Juni laufenden Urbefragung aller SVA-Mitglieder, die Basis für künftige Schwerpunkte der Versicherung sein soll, wird allerdings abgefragt, ob die Selbstbehalte abgeschafft - oder die Versicherungsbeiträge erhöht werden sollen. Diese Fragen zum Selbstbehalt und den Beitragshöhen hatten bereits im Juni für Empörung gesorgt, unter anderem bei der Interessenvertretung "Amici della SVA" und beim Bundessprecher der Grünen, Volker Plass. Ein Boykottaufruf wegen datenschutzrechtlicher Fragen war indes von sozialdemokratischer Seite in der Wirtschaftskammer gekommen: Jeder Fragebogen trägt eine Nummer. Die SVA rechtfertigte sich, dass diese nur dem Kopierschutz diene und mit dem Ausfüllenden nicht in Verbindung gebracht werden könne.

Generell wurde Leitl auch am Donnerstag nicht müde, zu betonen, dass die Urbefragung ein Angebot an die Versicherten sei, mitzubestimmen. Die Ergebnisse sollen Anfang Oktober präsentiert werden, das Ziel einer Rücklaufquote von sieben bis zehn Prozent sei bereits jetzt erreicht.