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"Bei Elektronik ist Langlebigkeit vom Käufer oft gar nicht gefragt"

Von Mathias Ziegler

Wirtschaft
Wozu den iPod reparieren, wenn er ohnehin bald nicht mehr up to date ist? Illustration: Thilo Kasper

Wien/Berlin. Die Zeitschaltuhr ist gerade einmal zweieinhalb Jahre alt, da gibt der Einbau-Akku den Geist auf - und weil er nicht gewechselt werden kann, ist das ganze Gerät reif für den Müll. Pech, werden das nun die einen nennen, einen klaren Fall von geplanter Obsoleszenz werden die anderen darin sehen.

Geplante Obsoleszenz - darunter versteht man seit den 1920er Jahren die künstlich herbeigeführte frühe Alterung von Geräten. Wobei sich der Begriff damals darauf bezog, dass GM-Präsident Alfred P. Sloan durch jährliche Änderungen an den Autos die Kunden zum vorzeitigen Neukauf animieren wollte. Heute assoziiert man mit geplanter Obsoleszenz (lat. obsolescere = in Vergessenheit geraten) vor allem den Umstand, dass - nicht nur - Elektrogeräte eine immer kürzere Lebensdauer haben. Im Fall der Zeitschaltuhr tun sich dadurch gleich mehrere Probleme auf: Erstens ist sie gerade so kaputt geworden, dass die Garantie bereits überschritten wurde. Zweitens lässt sich der festverbaute Akku beim Recycling des Elektroschrotts nur schwer von den übrigen Bauteilen trennen.

Immer nur das Neueste

Einer, der sich intensiv mit geplanter Obsoleszenz befasst hat, ist der deutsche Journalist Lukas Grasberger, der für das Magazin "enorm - Wirtschaft für den Menschen" der Sache auf den Grund gegangen ist. Und er ist auf der Suche nach Obsoleszenz öfter fündig geworden, als ihm selbst wohl lieb war. Haben 1924 die führenden Glühbirnenhersteller im sogenannten Phoebus-Kartell beschlossen, dass ihre Leuchten nur noch 1000 statt vorher 2000 Stunden funktionieren sollten, so werfen etwa heute Kunden Apple vor, dass der iPod gerade einmal die Garantiezeit überlebe. Und ein führender Nokia-Manager soll sogar selbst zugegeben haben, dass Handys nur auf drei Jahre Lebensdauer ausgelegt seien.

Im Informations- und Kommunikationsbereich dreht sich die Obsoleszenz-Spirale besonders rasant. Erstens ist der Kostendruck bei der Produktion sehr hoch - worunter die Qualität leidet. Zweitens werden viele Geräte weggeworfen, bevor sie überhaupt kaputt sind. "Es sind nicht nur die Firmen, sondern auch die Kunden, die immer den neuesten Stand der Technik wollen", sagt Karsten Schischke vom deutschen Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Nachsatz: "Auch wenn es nicht unbedingt das ist, was sie wirklich brauchen, und eine abgespeckte Version reichen würde."

Also landet das alte Handy in der Schublade, weil das neue Smartphone auch Facebook kann. Dass die Hersteller von Elektronik mehr darauf achten könnten, dass ältere Modelle später hochgerüstet werden könnten, steht auf einem anderen Blatt. Für Schischke steht jedenfalls fest: "Man definiert sich über die Technik als solche. Immer neuer, immer moderner - das ist eine Marketingstrategie, die beim Nutzer vergleichsweise gut verfängt."

Grasberger verweist in diesem Zusammenhang auf die Umweltfolgen: "Die PC-Lebensdauer ist von zehn Jahren im Jahr 1980 auf heute zwei Jahre geschrumpft. Waren Telefone früher Jahrzehnte in Gebrauch, so werden Handys heute nach 18 bis 24 Monaten gewechselt. In der EU wächst der Berg aus Elektronikschrott dreimal schneller als der des sonstigen Mülls, in Indien wird 2020 allein das Aufkommen aus alten Handys 18 Mal höher liegen als 2010, so eine UNO-Schätzung."

Dabei gibt es sehr wohl Firmen, die auf Langlebigkeit und Nachhaltigkeit bei Herstellung und Recycling achten. Gemeinsam mit ihnen arbeitet Schischke als Gruppenleiter daran, für mehr Zuverlässigkeit zu sorgen und Umweltstrategien zu entwickeln. "Es gibt etwa die kleine Firma MicroPro aus Dublin, die seit Ende der 1990er nachhaltige, umweltfreundliche Computer produziert. Aber auch die hangelt sich von Förderprojekt zu Förderprojekt."

"Weiße Ware" als Vorbild

Nachhaltigkeit als Werbeslogan greift noch kaum: "Wenn eine Firma selbst damit wirbt, sind die Kunden eher skeptisch", meint Schischke. Umweltlabels oder die gesetzgeberische Keule sind da glaubwürdiger, ebenso neutrale Produkttests. Der Experte sieht eine Chance im Energieeffizienz-Labeling, das bei Haushaltsgeräten längst üblich ist. So wie für die "Weiße Ware" gibt es in Deutschland nun auch für Fernseher eine verpflichtende Klassifizierung des Energieverbrauchs. "Das ist bekannt und kommt bei den Konsumenten gut an. Da können auch die Hersteller relativ gut damit werben, weil die Skala vergleichsweise einfach und noch dazu mit Farben hinterlegt ist."

Letztlich geht es laut Schischke vor allem darum, ein größeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen. "Es ist oft überraschend, wie wenig Ahnung die Käufer davon haben, was in den Geräten an potenziellem Sondermüll steckt." Auch die Konsumenten sollten also bei der Kaufentscheidung mehr nachdenken. Schließlich schauen die Hersteller letztlich auf die Kunden. Marktsteuerung wäre also durchaus möglich, wenn die Kunden mitmachen.