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Volkssport mit Würfel und Karte

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft
Was liegt, das pickt: Auch in Zeiten von Konsolenspielen, Online-Games und Smartphone-Apps greifen Spieler gerne zu handfestem Spielmaterial.
© fotolia

Sowohl Kinder als auch Erwachsene sorgen für stabile Umsätze im Handel.


Wien. Österreich ist ein Land der Gesellschaftsspieler: Trotz Online-Games, Spielekonsolen und Smartphone-Apps erfreuen sich Brett- und Kartenspiele weiterhin großer Beliebtheit. Besonders der Nachwuchs sorgt für eine anhaltende Nachfrage nach qualitativen Titeln. Aber auch bei vielen Erwachsenen ist das Gesellschaftsspiel ein fixer Bestandteil der Freizeitplanung. Große Herausforderungen bleiben der Spielebranche dennoch nicht erspart.

"Spielen ist nicht nur etwas für alte Menschen und Kinder, sondern auch für Personen, die mitten im Leben stehen", gibt sich Ferdinand de Cassan, Obmann der IG Spiele, überzeugt. Tatsächlich stoßen Brett- und Kartenspiele bei den heimischen Spielern unterschiedlichster Altersklassen auf großes Interesse, wie nicht zuletzt der enorme Besucherandrang des Wiener Spielefestes verdeutlicht, bei dem auch dieses Jahr wieder rund 70.000 Menschen erwartet werden. Auch Erfolge wie der Weltmeistertitel, den der Herbert Schager kürzlich beim bekannten Gesellschaftsspiel "Siedler von Catan" erringen konnte, zeuge nach Ansicht de Cassans von der großen Leidenschaft, mit der hierzulande gespielt wird.

Eine Leidenschaft, der selbst die digitale Wende wenig anhaben konnte: "Die Brettspielkultur besteht ohne große Einbußen neben der Computer-Spielwelt", befindet Rainer Buland, Leiter des Instituts für Spieleforschung am Mozarteum Salzburg. Zwar sei die Spielerzahl im Wesentlichen stabil, "aber die Subkultur der Brettspieler ist sehr beständig und wächst sogar leicht", sagt der Spieleforscher. Der Grund dafür liegt für Buland auf der Hand: "Es gab in der Menschheitsgeschichte noch nie so viele gute, spannende und phantasievolle Spiele wie heute.

Kinder als wichtigste Kunden
Doch ungeachtet der Hingabe, mit denen Erwachsene ans Werk gehen, ist es der Nachwuchs, der für die stärkste Nachfrage nach Spielen sorgt – und damit zugleich der Branche stabile oder gar wachsende Umsätze beschert. "Kinder sind die wichtigste Kundenschicht", sagt Johann Schüssler, Vorsitzender des Fachausschusses Spielwarenhandel der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Allein der Spielefachhandel steigerte im Vorjahr seinen Umsatz nominell um 0,1 Prozent. Zählt man den nicht spezialisierten Einzelhandel dazu, ist das Volumen sogar um 10 Prozent gestiegen, wie Schüssler berichtet. Hauptverantwortlich dafür waren Artikel für die Altersklasse der 8- bis 11-Jährigen, die 2011 ein Verkaufsplus von 13 Prozent aufwiesen.

Für Schüssler hat dieser Umstand nicht zuletzt mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu tun: Wegen der Zunahme an Patchworkfamilien würden Kinder nicht mehr nur von zwei Eltern und vier Großeltern mit Spieleartikeln beschenkt werden, sondern inzwischen von einer Vielzahl an Erwachsenen, die sich mit ihren Spenden gegenseitig zu übertrumpfen suchen. "Es gab noch nie so viele Großeltern auf ein Kind", ist Schüssler von diesem Wettbewerb um die Gunst des Nachwuchses überzeugt. Besonders begehrt sind dabei Bausteinsysteme, Actionfiguren und Puppen, aber auch Karten- und Brettspiele stehen hoch im Kurs.

Digitale Herausforderung
Dass die technologische Entwicklung auch am Spielemarkt nicht spurlos vorübergeht, liegt freilich auf der Hand. Denn so wichtig Kinder als Kundenschicht sind, so rasch richten sie ihr Interesse auf digitale Spielemedien. "Mit 10, 11 Jahren ist bei Kindern Schluss im Einzelhandel", stellt Schüssler fest. Ab diesem Alter werden Spieletitel auf Tablets oder Smartphones immer beliebter und stellen selbst PC-Spiele oder Konsolentitel in den Schatten. Erst im Erwachsenenalter nimmt das Interesse an Gesellschaftsspielen wieder zu.

Für Spieleindustrie und Handel bedeutet diese Digitalisierung zugleich Chance als auch Herausforderung: Während Spielehersteller wie Ravensburger mit Smartphone-Apps, die als Ergänzung zu Gesellschaftsspielen angeboten werden, punkten wollen, wird der Handel von der Online-Konkurrenz stark bedrängt. So hat der elektronische Handel inzwischen 18 Prozent des Gesamtumsatzes erreicht – Tendenz rasant steigend. Will Österreich also nicht nur ein Land der Spieler, sondern auch der Spielewirtschaft bleiben, gilt es, digitale Würfel und Karten nicht außer Acht zu lassen. Wie wichtig das ist, verdeutlicht Buland: "Ohne Spiel gibt es keine Kultur. Die Kultur entsteht aus dem Spiel heraus", um noch einen Appell anzubrigen: "Eine Gesellschaft, die klug ist und etwas auf sich hält, fördert das Spiel."

Spielefest in Wien: Freitag, 16. bis Sonntag, 18. November 2012

Institut für Spieleforschung