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Rohstoff IT-Wissen wird knapp

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft

TU Wien musste aus Mangel an Geld in der Informatik die Notbremse ziehen.


Wien. Wachstumskurs und Jobsicherheit: Die IT-Branche bietet Unternehmern wie Arbeitnehmern vielversprechende Perspektiven. Doch obwohl Jahr für Jahr mittlerweile rund 10.000 Menschen an den heimischen Ausbildungsstätten eine IT-Fachausbildung abschließen, bremst der Mangel an Experten die Entfaltung der IT-Wirtschaft. Und auch wenn das Problem Fachkräftemangel kein neues ist, gewinnt es immer mehr an Brisanz: Denn bis spätestens 2025 dürfte ein großer Teil der ersten Generation von IT-Spezialisten in Pension gehen und wird damit eine klaffende Lücke hinterlassen. Wirtschaft und Wissenschaft plädieren daher für verstärkte Anstrengungen im Bereich der Ausbildung - auch und besonders in Wien.

"Wer mit der richtigen Ausbildung in die IT geht, hat eine lebenslange Jobgarantie", ist Alfred Harl, Obmann des Wirtschaftskammer-Fachverbandes Unternehmensberatung und Informationstechnologie, überzeugt. Da IT-Experten nicht nur bei IT-Dienstleistungsunternehmen, sondern in unterschiedlichsten Branchen heiß begehrt sind, fehlen derzeit in ganz Österreich rund 4000 Fachkräfte. Die Zahlen der neuen Studie "IT-Qualifikation 2025" des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft belegen diese Lücke zwischen Angebot und Nachfrage: Demnach fällt es 51 Prozent der Wiener Unternehmen derzeit schwer oder sehr schwer, geeignetes Personal zu finden. Gestützt auf Umfragen unter Unternehmen lässt sich ferner feststellen, dass die Nachfrage nach IT-Experten auch in den nächsten Jahren nicht nachlassen wird. Nicht zuletzt, weil die erste Pensionswelle der ältesten Generation von IT-Fachkräften schon im Jahr 2016 zu erwarten ist.

Expertise allein reicht nicht

Grundsätzlich erfreuliche Nachrichten für Arbeitnehmer, die freilich etwas relativiert werden müssen: Denn ein einzelner IT-Lehrgang oder eine Expertise auf einem Gebiet allein reichen vielfach nicht, um den Erwartungen der Unternehmen gerecht zu werden. Vielmehr sucht die Wirtschaft Personal, das einerseits fachliche Expertise, andererseits die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen und schließlich soziales Know-how mitbringt. "Mit nur einer Qualifikation alleine hat man Probleme am Arbeitsmarkt. Die Kombination aus ‚soft skills‘ und ‚hard skills‘ ist wichtig", betont Robert Bodenstein, Fachgruppenobmann der Wirtschaftskammer Wien, die Bedeutung "sanfter" Qualifikationen wie etwa die Fähigkeit zur Teamarbeit oder die Bereitschaft zur Kundennähe.

Dass Bewerber dieses Qualifikationsprofil nicht immer mitbringen, sei allerdings ein Thema, das gerade die Ausbildungsstätten zu interessieren habe, ist man in der Wirtschaft überzeugt. Denn was Wien und Österreich als Hochpreisstandorte brauchen, sei nicht primär IT-Basiswissen, das etwa höherbildende Lehranstalten und Berufsschulen eigentlich hinlänglich bieten, sondern umfassende, aber zugleich hochspezialisierte Expertise: "Wir sollten nicht in die Breite qualifizieren, sondern in der Ausbildung auf Spezialisierung hinarbeiten", sagt Harl. Und nimmt damit primär die Hochschulen in die Pflicht.

In der Wissenschaft ist man mit diesem Wunsch durchaus einverstanden, beklagt aber zugleich einen Ressourcenmangel, der es erschwere, den Wünschen der Wirtschaft Rechnung zu tragen. So sah sich die Technische Hochschule (TU) Wien kürzlich dazu gezwungen, den Zugang zum Informatikstudium auf 420 Studienplätze zu beschränken. "Wir können nur so viele Plätze anbieten, wie wir Studierenden eine qualitätsvolle Ausbildung garantieren können", erklärt Gerald Steinhardt, Dekan der Fakultät für Informatik an der TU Wien.

16 zusätzliche Professuren

Er weist darauf hin, dass die TU im bundesweiten Vergleich eine besonders krasse Diskrepanz zwischen Studentenzahlen und Betreuungskapazitäten aufweise: "Wir haben nicht einmal 50 Prozent der Ressourcen, die wir für die Betreuung unserer aktiven Studierenden benötigen."

Die Politik nahm die Beschränkung der Studierendenzahlen durchaus wahr, das Wissenschaftsministerium kündigte inzwischen bundesweit 16 neue Professuren an. Dekan Steinhardt zeigt sich darüber erfreut, fordert neben den Professuren aber auch zusätzliche Assistenzstellen: "Um die Studierenden hochwertig ausbilden zu können, bedarf es eines größeren Ressourcenschubs an die TU Wien. Das bedeutet zusätzliche Professoren, dazu jedenfalls aber auch zusätzliche Assistenten." Schließlich gehe es um die Qualität der IT-Ausbildung und damit auch um den Wirtschaftsstandort. Und um die Aufrechterhaltung vielversprechender Perspektiven.