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Der Osteuropa-Optimist

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Unisex-Tarife bringen nun Prämienerhöhungen bis 40 Prozent.


Im Westen sieht Peter Hagen politische Risiken, Osteuropa verteidigt er. Stanislav Jenis

Wien. Peter Hagen (53) steht seit Mitte des Jahres an der Konzernspitze der Vienna Insurance Group (VIG - Wiener Städtische). Die Gruppe wuchs in den ersten drei Quartalen um 9,2 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro Konzernprämien. Der Gewinn nach Steuern erreichte 341,4 Millionen (plus 9 Prozent). Die Gruppe ist zur Nummer eins in Osteuropa aufgestiegen. Und: "Bei den Finanz-Veranlagungen machen wir nur, was wir auch verstehen", sagt Hagen. Wie sein Vorgänger schwört er auf die Kooperation mit der Erste Bank. An Zukäufen zeigt sich Hagen nach wie vor interessiert.

"Wiener Zeitung": Seit 21. Dezember dürfen Versicherungen nur noch Unisex-Tarife anbieten, also keine Prämien-Unterschiede zwischen Frauen und Männern machen. Was wird sich ändern?Peter Hagen: Bei der Kfz-Versicherung machen wir schon jetzt keinen Unterschied, da ändert sich also nichts. Es trifft vor allem Personenversicherungen. In der Lebensversicherung wird es - abhängig vom Produkt - einmal für Männer, im anderen Fall für Frauen teurer. In der Krankenversicherung wird es Vorteile für Frauen bringen. Es wird in manchen Tarifmodellen in der Branche zu Prämienerhöhungen um bis zu 40 Prozent kommen, diese Schätzungen sind realistisch.

Eine nicht ganz ernst gemeinte Frage: Hat sich jemand gegen den Weltuntergang versichern lassen?

Nein, wenn er eingetreten wäre, hätten wir die Versicherung wohl eher nicht auszahlen können. So eine Versicherung wäre sittenwidrig, wir dürften sie gar nicht abschließen.

Die Vienna Insurance Group ist die Nummer eins am Versicherungsmarkt in Osteuropa. Die Wirtschaftsprognosen 2013 sind nicht besonders gut. Was bedeutet das für Ihr Geschäft?

"Dinge, die wir nicht verstehen, machen wir nicht", sagt Hagen.

Bei allem Respekt vor den Wirtschaftsforschern, ich bin da optimistischer für die Region. Es ist ein bisschen wie in dem Witz, in dem zwei vor einem Löwen davonlaufen. Es ist nicht notwendig, dass man schneller ist als der Löwe, sondern nur schneller als der andere. CEE, das neue Europa, ist schneller als "Alt-Europa".

Was macht Sie da so sicher?

In der Ukraine liegen die Pro-Kopf-Ausgaben für Versicherungen bei 45 Euro, in Rumänien bei 100, in Österreich bei 2000. Wenn sich das nur in der Ukraine auf 100 Euro hebt, würde das schon ein zusätzliches Prämienvolumen von 2,5 Milliarden Euro bedeuten, oder, bezogen auf unseren angestrebten Marktanteil, knapp 500 Millionen für die VIG. Wo wäre das im Westen zu machen? Wir verfolgen hier einen langfristigen Ansatz.

Aber in Osteuropa gibt es zusätzlich noch politische Risiken, etwa in Ungarn und Rumänien.

Schauen wir uns Italien oder Spanien an. Sind das keine krisenhaften Situationen? Vertrauensverlust ist kein Privileg von Rumänien. Auch bei uns ändern sich Rahmenbedingungen. In Österreich wurde die steuerliche Bindungsfrist im Einmalerlagsbereich von 10 auf 15 Jahre angehoben und prompt sinken die Einmalerläge dramatisch. Das Paradoxe ist, dass der Staat damit sogar auf Steuereinnahmen verzichtet. Wir haben davor gewarnt, es ist trotzdem gemacht worden. Generell ist also die Vorstellung eines "Wilden Ostens" falsch.

Ein Teil der osteuropäischen Länder, in denen die VIG tätig ist, ist in der EU, ein anderer nicht. Manche gehören zur Eurozone, andere nicht. Macht das nicht eine Einschätzung enorm schwierig?

Aber alle orientieren sich an der EU, und die bildet dort eine supranationale Instanz, die zumindest als Leitlinie wirkt. Die vergleichbaren Wachstumsregionen Asien und Lateinamerika haben ein solches Gebilde nicht, da tut jeder was er will. Osteuropa ist robuster geworden.

Insgesamt wird der Bankvertrieb für die Versicherungsprodukte immer wichtiger. Nun reduzieren auch heimische Banken ihr Engagement in Osteuropa. Hat auch das keine Auswirkungen?

Es stimmt, dass ein guter Teil unseres Neugeschäfts in der Lebensversicherung über den Bankenvertrieb kommt. Mit der Übernahme der Versicherungsgesellschaften der Erste Group 2008 sind wir zur Nummer eins in CEE geworden. Insbesondere auch deshalb ist die Kooperation mit der Erste Bank so wichtig für uns. Und auch wenn es weniger Filialen gibt, werden die einfach mehr Kunden betreuen. Da der Versicherungsverkauf den Banken interessante Erträge bringt, erwarte ich, dass sich der Aufwärtstrend auch weiterhin fortsetzen wird.

Glauben Sie, dass es auch bei Versicherungen - wie bei den Banken - zu einer Konsolidierung in Europa kommt?

Ja, aber sicherlich mit uns auf der Käuferseite. Die neuen Regeln für Versicherungen wurden zwar verschoben und werden sich wohl auch noch ändern, aber kleinere Institute werden sich die dort verlangte Bürokratie schwerer leisten können. Aber auch für die Großen bringt "Solvency II" hohe zusätzliche Kosten, die gedeckt werden müssen.

Die Uniqa hat ihre Medienbeteiligung verkauft, weil künftige Investoren branchenfremde Investitionen ablehnen. Die Städtische hat sich dagegen an Alpenlachs beteiligt. Sind ihre Aktionäre geduldiger und großzügiger?

Vielleicht ist Alpenlachs profitabler als Medien. Nein, im Ernst: Das ist für die Wiener Städtische ein durchaus profitables Investment in überschaubarem Rahmen und begrenztem Risiko, und solche Investments führen auch zu mehr Geschäft bei Versicherungen. Die Wiener Städtische hat das auch im Detail analysiert und geprüft. Denn es gilt bei uns der unbedingte Grundsatz: Dinge, die wir nicht verstehen, machen wir nicht. Nicht zuletzt deshalb hatten wir auch praktisch keine Wertberichtigungen aus komplexen und risikoreichen Veranlagungen, weil wir die erst gar nicht machen.

Tut sich sonst etwas bei Beteiligungen?

Aktuell wenig, beim Verkehrsbüro warten wir ohne Hast und Eile auf ein allenfalls günstiges (Börse-)Klima. Das sehe ich allerdings auf absehbare Zeit nicht. Bei der Porr sind wir optimistisch, dass Herr Strauss das Unternehmen deutlich in die Gewinnzone führen wird.

Die Städtische ist im Sozial- und Kulturbereich großer Sponsor. Uniqa hat sich aus Salzburg zurückgezogen, wird auch die Städtische hier reduzieren?

Wir als Versicherer sehen unsere Rolle als Sponsor vor allem im Sozialbereich. Wir finden, dass das am besten zur Art unseres Geschäftes passt. In diesem Bereich ist insbesondere der Wiener Städtische Versicherungsverein, unser Hauptaktionär mit 70 Prozent, tätig, und daran wird sich nichts ändern. Der Verein ist auch gemeinsam mit der Wiener Städtischen nun Hauptsponsor der Wiener Festwochen. Das passt sehr gut zu uns, und solche Aktivitäten werden wir auch beibehalten - auch in Osteuropa.

Peter Hagen,geboren 1959, ist seit 1989 in der Wiener Städtischen tätig. Seine Stationen führten ihn nach Tschechien und die Slowakei. Seit 2004 ist er im Vorstand. Bis 2011 leitete er die neu aufgebaute Rückversicherung der nunmehrigen Vienna Insurance Group (VIG). Hagen sitzt auch im Vorstand des 70-Prozent-Eigentümers der Gruppe, dem Versicherungsverein. Und er ist Aufsichtsrat der voestalpine.