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Das Wikipedia der Lebensläufe

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Das Wiener Start-up startet heuer mit seiner Videoplattform zur Berufswahl international durch


Wien. "Wenn Sie glauben, Samstag und Sonntag ist mir fad, dann täuschen Sie sich", sagt Bundespräsident Heinz Fischer in einem Video auf der Plattform Whatchado, gefragt nach seinem Arbeitsablauf. Nicht nur Fischer, auch der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus beantwortet auf der Internet-Seite Fragen wie "Was ist das Coolste an deinem Job?". Dem Wiener Start-up geht es darum, ein "Wikipedia der Lebensläufe" aufzubauen, sagt Ali Mahlodji, der gemeinsam mit Jubin Honarfar Whatchado Anfang 2012 gegründet hat.

"Jeder bekommt die gleichen sieben Fragen gestellt - egal ob er Lehrling oder Vorstandsvorsitzender ist", sagt der 31-Jährige bei einem Besuch in seinem farbenfrohen Büro im vierten Wiener Gemeindebezirk. Zu seinen Lieblingsvideos gehören jene vom Wiener U-Bahn-Fahrer Patrick Cerny und von Manager Gerd Höfner bei Siemens in Indien, der als Rat an sein 14-jähriges Ich aus dem Zeichentrickfilm "Kung Fu Panda" zitiert.

Was erwartet einen im Job?

Der Firmenname Whatchado kommt aus dem amerikanischen Slang und bedeutet "Was machst du?". "Jugendliche und Bewerber sollen wissen, was sie in einem Beruf erwartet", sagt Mahlodji. Daher werden in den Interviews jene Fragen gestellt, die er selbst als Jugendlicher hatte, als es um die Berufswahl ging. Über das Interessensmatching via Fragebogen auf der Website finden sich außerdem Karrieren von Menschen, die ähnlich denken wie der Nutzer. Die Besucher - großteils 18- bis 35-Jährige - können die Videos abrufen und sehen darunter passende Stellenanzeigen, die vom Arbeitgeber des Interviewten oder von karriere.at zur Verfügung gestellt werden. Ab Mai wird auch die passende Ausbildung zu den Videos angezeigt.

Ursprünglich war Whatchado als nebenberufliches Projekt geplant, doch schließlich kündigten die beiden ihre Jobs. Finanziell unterstützt wurden sie vom Wiener Business Angel Johann Hansmann, der auch bei der Sprachenlern-Plattform busuu.com und beim Fixkosten-Vergleichsportal durchblicker.at engagiert ist.

Zum Start waren 17 Videos online, aktuell sind es bereits 780. Pro Monat werden 40 bis 60 neue Videos produziert. 60 Prozent davon werden auf eigene Faust kostenlos für die Interviewten gedreht, 40 Prozent werden für Unternehmen produziert. Die Betriebe zahlen einmalig für den Videodreh sowie eine monatliche Gebühr für ihre Firmenseite auf Whatchado, auf der auch freie Stellen im Betrieb angezeigt werden. Einfluss nehmen auf den Inhalt des Videos dürfen die Unternehmen nicht, versichert Mahlodji. Das Video gehe nur online, wenn der Interviewte einverstanden ist.

"Es fragen immer mehr Klein- und Mittelbetriebe und internationale Unternehmen wie Tchibo bei uns an", sagt Mahlodji. Fünf der mittlerweile 20 Beschäftigten - erst vergangene Woche wurden neue Mitarbeiter eingestellt - entwickeln einen internationalen Webauftritt. Die neue Website in Deutsch und Englisch soll heuer im Mai oder Juni online gehen. Außerdem werden die Jungunternehmer ihre Idee vor der UNO in New York präsentieren, erzählt Mahlodji stolz.

Über Umwege zum Gründer

"Viele Interviewte haben keinen geraden Karriereweg", sagt Mahlodji, der selbst ein gutes Beispiel dafür ist: Als er ein Baby war, flüchteten seine Eltern mit ihm vom Iran nach Österreich, wo sie im Aufnahmezentrum Traiskirchen landeten. Mit 13 Jahren lernten sich Mahlodji und sein heutiger Geschäftspartner Honarfar in Wien-Simmering beim Fußballspielen kennen.

Die HTL schmiss Mahlodji ein halbes Jahr vor der Matura, arbeitete in einer Apotheke und machte berufsbegleitend die Matura und ein Bachelor-Studium. Danach folgten Jobs bei Sun Microsystems, Siemens und zuletzt bei der Online-Agentur Super-Fi in Wien.

Neben der Einbindung von Interviews mit Berufstätigen auf der ganzen Welt und von Mitarbeitern in kleineren Betrieben hat sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, dass die Whatchado-Startseite werbefrei bleibt. "Ich möchte außerdem weiterhin immer alle Mitarbeiter mit Namen kennen und einmal die Vier-Tage-Woche einführen", sagt Mahlodji. Seinen Traum von einem Unternehmen, in dem man weiße Turnschuhe trägt, hat er sich auch verwirklicht, erzählt er schmunzelnd: "Jeder Mitarbeiter bekommt nach drei Monaten bei uns weiße Turnschuhe."

Wen er noch gerne zu seinem beruflichen Werdegang interviewen möchte? "Virgin-Gründer Richard Branson, den Linzer DJ Parov Stelar und den US-Präsidenten Barack Obama."