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Erste Risse in der gläsernen Decke

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Trendforscher sind überzeugt: Ohne Frauen geht künftig gar nichts mehr.


Wien. "Frauen werden in diesem Jahrhundert ihre Gleichberechtigung auf wirtschaftlicher Ebene durchsetzen, so wie sie sie im vergangenen Jahrhundert auf politischer Ebene durchgesetzt haben." Es ist eine frohe Botschaft, die Trendforscher Matthias Horx und das Autorenteam seines Zukunftsinstituts in ihrem aktuellen "Trend Update" verkünden. Doch worauf gründet sich der Optimismus der Trendforscher? Und ist er angesichts magerer 21 Prozent weiblicher Führungskräfte in Österreich tatsächlich berechtigt?

Auf der Überholspur

Gemischte Teams arbeiten besser als homogene Gruppen - ein Grund mehr, warum es sich für Firmen lohnt, die Potenziale von Frauen gezielt zu fördern.
© Foto: fotolia

"Künftig wird die Rolle der Frau in der Wirtschaft nicht mehr moralisch, sondern volkswirtschaftlich beantwortet", erklärt Cornelia Kelber, Mitarbeiterin des Zukunftsinstitutes, warum Frauen unweigerlich die gläserne Decke durchstoßen werden. Die Formel lautet: Wer künftig ökonomischen Erfolg haben will, wird auf Frauen nicht mehr verzichten können. Für diese Entwicklung machen die Trendforscher mehrere Gründe aus. "Besonders im Hinblick auf die immer höheren Bildungsabschlüsse von Frauen und dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel können die enormen Potenziale weiblicher Nachwuchskräfte nicht länger marginalisiert werden", ist Kelber überzeugt.

Tatsächlich liefern Mädchen in den Industriestaaten längst bessere Schulleistungen ab als Buben. Und auch hierzulande maturieren mittlerweile mehr Frauen als Männer.

Der Schweizer Headhunter Guido Schilling, Experte für weibliche Führungskräfte, weiß, wohin das führen wird: "Das Tempo der Veränderung ist eine Generationenfrage. Es braucht noch einmal eine Generation, bis die Pipeline an qualifizierten Frauen so gut gefüllt ist, dass sich die Frauenpräsenz auch statistisch stärker bemerkbar macht."

Wandel der Ökonomie

Laut Kelber wird diese Entwicklung zudem durch den Wandel von der Wissens- zur Kreativ-Ökonomie befördert. Dieser habe zur Folge, dass künftig mit "typisch weiblichen" Soft Skills, wie Problemlösungskompetenz und sozialen Fähigkeiten, "hartes Geld verdient werden wird".

"Womanomics" bedeutet aber auch den Abschied von der männlichen Präsenzkultur hin zur weiblichen Effizienzkultur. Und die Durchsetzung betrieblicher Maßnahmen zur "Gender Diversity". Studien belegen längst, dass die Vielfalt der Geschlechter gemischte Teams weitaus erfolgreicher macht als jene, in denen Männer und Frauen unter sich bleiben.

"Gender Diversity ist vom schicken Modebegriff zum strategischen Managementthema avanciert", attestiert Kelber. Dass der Erfolg gemischter Teams mitunter höchst banale Gründe hat, sei hier nicht verschwiegen. Eine Studie der Columbia University belegt zum Beispiel, dass sich - dem "Gockeleffekt" sei Dank - Männer schlicht mehr anstrengen, sobald Frauen anwesend sind.

Weiblich wirtschaften

Doch nicht nur Teams, sondern auch Unternehmen, ja ganze Nationalökonomien sind erfolgreicher, je mehr die Frauen in einflussreichen Positionen mitzureden haben. So ist erwiesen, dass deutsche Unternehmen, die von Frauen geführt werden, mehr Gewinn erwirtschaften.

Untersuchungen belegen überdies, dass Unternehmerinnen im Schnitt vorsichtiger agieren als ihre männlichen Kollegen. Demnach investieren sie zwar weniger, wenn das Geschäft boomt, deutet sich ein Abschwung an, sparen sie dafür schneller. Ergebnis: Ihre Firmen wachsen zwar langsamer, überstehen dafür Krisen umso besser.

"Frauen sind nicht die besseren Menschen, aber sie haben vielleicht nicht diesen männlichen Spieltrieb, nicht diesen Hang zur Zockerei", bestätigt Tina Müller, eine Top-Managerin der deutschen Kosmetikbranche, erst kürzlich gegenüber der "Zeit".

Genügt also eine Frauenquote, und schon brummt das Geschäft? "Bei jenen Unternehmen, die naiv an die Formel glauben, mehr Frauen gleich mehr Umsatz, ohne sich um die Unternehmenskultur zu kümmern, stellt sich Ernüchterung ein", warnt Trendforscherin Kelber.

Das enorme weibliche Potenzial kann nämlich nur ausgeschöpft werden, wenn den Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben tatsächlich geboten wird. Und nicht nur ihnen. Tatsache ist, dass Work-Life-Balance kein exklusives Frauenbedürfnis, sondern ein zutiefst menschliches Bedürfnis ist. Das zeigt sich deutlich bei den Männern der Generation Y, geboren in den 1980er und 1990er Jahren, die deutlich mehr Wert auf familiengerechte Arbeitszeiten legen als frühere Jahrgänge. Kelber: "Indem Frauen sich für Bedürfnisse einsetzen, die sie für die eigenen halten, schaffen sie in Wirklichkeit eine menschlichere Arbeits- und Lebenswelt für alle."